OGH Urteile

Die hier angeführten Informationen zu OGH Urteilen zeigen die wichtigsten versicherungsrechtlichen Urteile des OGH der letzten Jahre in ausführlicher Ausarbeitung inklusive Sachverhaltsdarstellung und Entscheidungsgründe.

Die hier angeführten Informationen stammen von der Österreichischen Gesellschaft für Versicherungsfachwissen und können auch hier gelesen werden.

OGH-Urteile

Thema: Beweislast Versicherungsfall

VersVG §  1 Abs 1: Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls. Das Regelbeweismaß ist die hohe Wahrscheinlichkeit. Bei großen Beweisschwierigkeiten können dem Versicherungsnehmer Beweiserleichterungen zugestanden werden. Im vorliegenden Fall reicht der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Erkrankung nach Vertragsabschluss (Nachweis, dass die eine Herzklappenoperation  erzwingende Erkrankung erst nach Vertragsabschluss ausbrach, wobei zwischen Vertragsabschluss und Diagnose mehrere beschwerdefreie Jahre lagen; dabei angeborene Herzklappenanomalie des Versicherten, die allerdings nicht jedenfalls zum Herzklappenschaden führen muss).

OGH 13.5.2009, 7 Ob 81/09a

Thema: Beweislast Versicherungsfall

VersVG §  1 Abs 1; Versicherung gegen Datenverlust/Zusatzbaustein „Elektronik“ zum Grundbaustein „Sachwerte und Erträge-Mehrgefahren“ Z 4: Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalls zu beweisen. Das Regelbeweismaß der ZPO ist die hohe Wahrscheinlichkeit. Die konkrete Vertragsklausel setzt dieses Maß wirksam auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit herab. OGH 16.12.2009, 7 Ob 224/09f

Einjährige Klagsfrist nach §  12 Abs 2 VersVG; unzulässige Feststellungsklage VersVG §  12 Abs 3; ABGB §  1497: Eine unzulässige Feststellungsklage wahrt die Präklusivfrist des §  12 Abs 3 VersVG nur, wenn sie rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens in eine Leistungsklage umgewandelt wird.

OGH 13.5.2009, 7 Ob 79/09g

Thema: (Verhüllte) Obliegenheit; Ausschluss; Transportversicherung

VersVG §  6, §  15a; Besondere Bedingungen zur Transportversicherung Pkt 5.2.1.: Zur Abgrenzung von Risikoausschlüssen und (verhüllten) Obliegenheiten. Beim „Ausschluss“ der Haftung des Transportversicherers  für Ansprüche aus Anlass von Beförderungen, bei denen öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt wurden, zB Transporte ohne Genehmigung handelt es sich tatsächlich um eine verhüllte Obliegenheit. Daher sind bei Verstößen des Versicherungsnehmers Verschulden und Kausalität von Bedeutung.

OGH 30.6.2010, 7 Ob 75/10w

Thema: Leistungspflicht des Versicherers; verschuldeter Verzug bei Ablehnung

KHVG §  29a Abs 2; VersVG §  12 Abs 2, §  158n Abs 1: Zu den Anforderungen an eine begründete Ablehnung der Leistung. Es genügt, wenn der Versicherer kurz, rational nachvollziehbar und nachprüfbar anführt, warum er nicht leistet, damit der Geschädigte nicht hingehalten wird und sich über sein weiteres Vorgehen ein Bild machen kann. Keinesfalls soll damit dem Geschädigten eine abschließende, vollständige und zutreffende Klärung des Anspruchs gegen den Versicherer abgenommen werden, es liegt an ihm, die Ablehnung zu bewerten und danach über die Verfolgung seiner Ansprüche zu entscheiden.

VersVG §  11; ABGB §  918, § 920: Verschuldeter, Schadenersatzpflichten auslösender Verzug des Versicherers, wenn er die Leistung völlig aussichtslos ablehnt, nicht hingegen, wenn er die Zahlung nicht grundlos verweigert hat. Bei Ablehnung zweifelhafter Tatfragen nur dann Verschulden, wenn keine ausreichenden begründeten Tatsachen vorlagen, der Versicherer muss versuchen, Zweifel rasch zu klären. Bei Ablehnung aus Rechtsgründen ist der Versicherer entschuldigt, wenn er sich aufgrund gewissenhafter und sorgfältiger Prüfung einer Rechtsansicht anschließt, die ihn zur Annahme berechtigen, er bräuchte mit einem Unterliegen im Prozess nicht zu rechnen.

OGH 26.5.2010, 7 Ob 11/10h

Thema: Kaskoversicherung; Gefahrerhöhung bei Fahrzeugschlüsseldiebstahl

VersVG §§ 23 ff: Zum Begriff der Gefahrerhöhung. Gewillkürte, verschuldete Gefahrerhöhung führt bei Kausalität zur Leistungsfreiheit. Gewillkürte Gefahrerhöhung iSd §  23 Abs 1 VersVG besteht auch dann, wenn es der Versicherungsnehmer unterlässt, eine unabhängig von seinem Willen eingetretene Gefahrerhöhung zu beseitigen, obwohl ihm Maßnahmen möglich und zumutbar wären.

Was möglich und zumutbar ist, richtet sich nach dem Einzelfall. Zu berücksichtigen ist, welche Gefahrerhöhung unter welchen Umständen eingetreten ist, wie wahrscheinlich ein Schadenseintritt ist, mit welchem Schaden zu rechnen ist und welche Handlungsmöglichkeiten dem Versicherungsnehmer konkret zu Gebote standen.

Diebstahl des mit Fernsteuerung versehenen Zweitschlüssels zu einem Luxusfahrzeug durch einen offenbar mit den Umständen vertrauten Täter, der über den Benützer des Fahrzeugs den Aufbewahrungsort des Fahrzeugs ausfindig machen kann, ist Gefahrerhöhung iSd §  23 Abs 1 VersVG.

OGH 5.5.2010, 7 Ob 34/10s

Thema: Haushaltsversicherung; Keller als Versicherungsort

ABGB §  914: Ausschlüsse vom Versicherungsschutz dürfen nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks, der Ausdrucksweise und des Regelungszusammenhangs erfordert.

ABH 1995 Art 1, Art 3 2.1.: Herend-Porzellangeschirr im Neuwert von 31.800 € zählt nicht zu den im Keller versicherten Objekten.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 212/09s

Thema: Krankenversicherung; Behandlung in Sonderanstalten

ABGB §  914; AVB für Versicherungen nach Krankenhaustarifen §  19: Kein Deckungsausschluss bei Behandlung in Krankenhäusern und Heilanstalten, die auf bestimmte Krankheiten spezialisiert sind, sondern Ausschluss nur, wenn sich die Institution auf die Anwendung bestimmter Behandlungsmethoden beschränkt.

OGH 3.3.2010, 7 Ob 71/09f

Thema: Berufsunfähigkeits-Versicherung freiberuflich Tätiger; Versicherungsfall 

ABFT Art 1: Nur der totale Ausfall der Arbeitskraft des Unternehmers ist versichert. Versicherungsschutz ist daher nur gegeben, wenn der Versicherungsnehmer nach ärztlichem Urteil seine Tätigkeit nicht ausüben kann und auch tatsächlich nicht ausübt.

OGH 16.12.2009, 7 Ob 239/09m

Thema: Kfz-Haftpflichtversicherung; Halterbegriff; Zurechnung fremden Verhaltens 

EKHG §  5 Abs 1; KHVG §  2 Abs 2: Die Haltereigenschaft richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten, sie ist primär ein wirtschaftliches und tatsächliches, weniger ein rechtliches Verhältnis.

KHVG §  2 Abs 2: Mitversichert sind Eigentümer, Halter und Personen, die mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig sind.

EKHG §  1: Unfall ist auch die vorsätzliche Beschädigung eines Verkehrsteilnehmers durch einen anderen.

VersVG §  78, §  152: Der Versicherer haftet für einen vorsätzlich widerrechtlich herbeigeführten Versicherungsfall nicht. Das gilt auch für den mitversicherten Lenker. Allerdings schaden in der Haftpflichtversicherung subjektive Risikoausschlüsse in der Person eines Mitversicherten dem anderen nicht.

OGH 30.6.2010, 7 Ob 89/10d

Thema: Rechtsschutzversicherung; Verstoß 

ARB 1988 Art 2 Z 3: Der den Versicherungsfall darstellende Verstoß ist ein tatsächlicher, objektiv feststellbarer Vorgang, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt. Es kommt weder darauf an, ob sich der Handelnde des Verstoßes bewusst war oder bewusst sein musste, noch auf den Zeitpunkt, zu dem die Beteiligten Kenntnis vom Verstoß erlangten, noch darauf, wann die Ansprüche wegen des Verstoßes geltend gemacht oder abgewehrt werden.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 22/10a

Thema: Rechtsschutzversicherung; Verstoß; einheitlicher Versicherungsfall; Haftungshöchstgrenze

ARB 1994 Art 3.2: Der den Versicherungsfall bildende Verstoß ist das Handeln gegen eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht oder das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns.

ARB 1994 Art 2.3, Art 6.7.2, Art 23 2.3.1: Die Zusammenfassung mehrerer zeitlich und ursächlich zusammenhängender Versicherungsfälle zu einem einheitlichen „Leistungsfall“, der die Leistungspflicht des Rechtsschutzversicherers bis zur Höchsthaftungssumme nur einmal auslöst, ist dann gerechtfertigt, wenn mehrere Versicherungsfälle im Sinn des Art 2.3. ARB 1994 einem Geschehensablauf entspringen, der nach der Verkehrsauffassung als ein einheitlicher Lebensvorgang aufzufassen ist. Der Umstand allein, dass der Versicherungsnehmer mehrere Forderungen aus ein und demselben Arbeitsverhältnis geltend macht, genügt dafür nicht, wenn es sich um Forderungen auf unterschiedliche Leistungen aus unterschiedlichen Lebenssachverhalten handelt.

OGH 14.7.2010, 7 Ob 122/10g

Thema: Rechtsschutzversicherung; Ausschlussfrist; Geltungskontrolle überraschender Klausel

ARB 1988 Art 7 Z 2.5.; VersVG §  12: Die Klausel über den Ausschluss von Versicherungsfällen, die später als ein Jahr nach Vertragsbeendigung gemeldet werden, ist Risikobegrenzung, nicht Obliegenheit. Keine Gesetzwidrigkeit bei Vereinbarung einer Ausschlussfrist, die kürzer ist als die Verjährungsfrist nach §  12 VersVG.

ABGB §  864a: Überraschende Klauseln, denen ein Überrumpelungseffekt innewohnt, sind nach §  864a ABGB unwirksam. Eine objektiv gewöhnliche Klausel kann im Einzelfall dennoch subjektiv überraschend sein.

ARB 1988 Art 7 Z 2.5.; ABGB §  864a; VersVG §  33 Abs 1 VersVG: Eine Ausschlussfrist, die allein auf einen objektiven Fristauslöser abstellt, ohne dass es auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers ankommt, ist ungewöhnlich. Sie ist aber im Individualprozess nur teilnichtig und daher zu korrigieren. Ausschluss nach Fristablauf somit nur bei Verschulden des Versicherungsnehmers an der verspäteten Meldung oder wenn er unverschuldet erst nach Fristablauf vom Versicherungsfall erfährt, es aber iSd §  33 Abs 1 VersVG unterlässt, unverzüglich Schadensmeldung zu erstatten.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 22/10a

Thema: Betriebshaftpflichtversicherung; keine Deckung für immaterielle Schäden aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten

ABGB §  914; MedienG §  6, §  7; AHVB 1993 Art 1: Der medienrechtliche Ersatzanspruch nach §§  6 f MedienG ist zwar ein Anspruch sui generis, jedoch seiner Natur nach als spezieller zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch für immaterielle Schäden aus der Verletzung von Persönlichkeitsrechten einzustufen. Er ist weder Personen-, noch Sach- noch bloßer Vermögensschaden und daher von der Betriebshaftpflichtversicherung nicht gedeckt.

OGH 1.7.2009, 7 Ob 19/09h

Thema: Auslegung von AVB; Feuerversicherung; „Abbruchobjekt“

ZPO §  502 Abs 1; ABGB §  914, §  915: Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist, da sie regelmäßig einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel, es sei denn, die Bestimmung wäre so eindeutig, dass nur eine Auslegungsmöglichkeit  in Frage kommt.

ABGB §  914; Feuerversicherung Klausel F 610: Ein Abbruchobjekt liegt nach Auslegung der Klausel vor, wenn der Versicherungsnehmer seinen Abrissentschluss durch einen entsprechenden Antrag bei der Baubehörde zum Ausdruck bringt.

OGH 5.5.2010, 7 Ob 79/10h

Thema: Gefahrerhöhung; Diebstahl von Fahrzeugschlüsseln 

VersVG §§ 23 ff: Zum Begriff der Gefahrerhöhung. Gewillkürte, verschuldete Gefahrerhöhung führt bei Kausalität zur Leistungsfreiheit. Gewillkürte Gefahrerhöhung iSd §  23 Abs 1 VersVG besteht auch dann, wenn es der Versicherungsnehmer unterlässt, eine unabhängig von seinem Willen eingetretene Gefahrerhöhung zu beseitigen, obwohl ihm Maßnahmen möglich und zumutbar wären.

Was möglich und zumutbar ist, richtet sich nach dem Einzelfall. Zu berücksichtigen ist, welche Gefahrerhöhung unter welchen Umständen eingetreten ist, wie wahrscheinlich ein Schadenseintritt ist, mit welchem Schaden zu rechnen ist und welche Handlungsmöglichkeiten dem Versicherungsnehmer konkret zu Gebote standen.

Diebstahl des mit Fernsteuerung versehenen Zweitschlüssels zu einem Luxusfahrzeug durch einen offenbar mit den Umständen vertrauten Täter, der über den Benützer des Fahrzeugs den Aufbewahrungsort des Fahrzeugs ausfindig machen kann, ist Gefahrerhöhung iSd §  23 Abs 1 VersVG.

OGH 5.5.2010, 7 Ob 34/10s

Thema: Gefahrerhöhung; Bedienungsanleitung

Zum Vorliegen von Gefahrerhöhung. Gewillkürte, verschuldete Gefahrerhöhung, die zur Leistungsfreiheit führen kann, liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer um die Gefahrerhöhung weiß. Dem steht verschuldetes Nichtwissen gleich, wenn es wegen der Sinnfälligkeit der Gefahr der positiven Kenntnis. Die Beweislast für das Verschulden des Versicherungsnehmers  trägt der Versicherer.

Ob die Nichtbeachtung der Bedienungsanleitung für ein technisches Gerät als Gefahrerhöhung einzustufen ist, hängt davon ab, wie das Handbuch zur empfohlenen Maßnahme aufklärt und wie weit ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer erkennen muss, dass bei Nichtbefolgung ein Risiko besteht.

OGH 17.3.2010, 7 Ob 244/09x

Thema: Rettungsobliegenheit; Reichweite vertraglicher Schutz- und Sorgfaltspflichten

VersVG §  62: Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls nach Möglichkeit für Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und die Weisungen des Versicherers zu befolgen. Hat der Versicherungsnehmer erfolglos Weisungen erbeten, ist er idR entschuldigt.

Eine Verpflichtung des Versicherers zur Erteilung von Weisungen besteht nicht.

ABGB §  869, §  1293 ff: Vertragliche Schutz- und Aufklärungspflichten enden an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Vertragspartners.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 201/09y

Thema: Vorbeugende Obliegenheiten; Alkoholklausel; Führerscheinklausel

VersVG § 6 Abs 2; AKHB 2003 Art 9 Pkt 2.2: Die Verletzung der Führerschein- und Alkoholklausel fällt dem Versicherungsnehmer auch dann zur Last, wenn er das Fahrzeug einer derart beeinträchtigten Person überlassen hat. Er kann sich jedoch durch den Beweis des Fehlens jeglichen Verschuldens oder den Kausalitätsgegenbeweis befreien (stRsp).

OGH 30.3.2009, 7 Ob 86/08k

Thema: Aufklärungsobliegenheit nach Schadensfall; Verschleierungsabsicht; Beweislast

VersVG § 6 Abs 3; STVO § 4 Abs 5: Die Übertretung des § 4 Abs 5 StVO ist für sich allein nicht schon einer Verletzung der Aufklärungspflicht gleichzuhalten. Es ist vielmehr notwendig, dass ein konkreter Verdacht in bestimmte Richtung durch objektives „Unbenützbar-werden“ (objektive Beseitigung) eines Beweismittels infolge Unterlassung der Anzeige im Nachhinein nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (stRSp).

Der konkrete Verdacht und die Unbenützbarkeit des Beweismittels infolge Unterlassung der Anzeige muss vom Versicherer behauptet und bewiesen werden. Dem Versicherungsnehmer obliegt der Beweis mangelnder Täuschungsabsicht, (minderen) Verschuldens und den Kausalitätsgegenbeweis bei grobem Verschulden, aber fehlender Täuschungsabsicht (stRSp).

Der Umstand, dass eine unrichtige Angabe in der Schadensanzeige leicht überprüft werden kann, lässt noch keine Schluss auf fehlende Täuschungsabsicht zu, weil der Versicherungsnehmer damit rechnen kann, seine Angaben würden nicht überprüft werden.

OGH 2.9.2009, 7 Ob 97/09d

Thema: Aufklärungsobliegenheit nach Schadensfall; grobe Fahrlässigkeit; Zurechnung fremden Verhaltens

VersVG § 61: Weiterhin Ablehnung der Repräsentantenhaftung, das grob fahrlässige Verhalten eines Dritten führt daher nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Zuzurechnen ist dem Versicherungsnehmer allerdings im Bezug auf Obliegenheiten das Verhalten jener, die er zur Abwicklung des Versicherungsverhältnisses bevollmächtigt hat.

VersVG § 61; KO § 3: Keine Zurechnung des Verhaltens des Gemeinschuldners, dem die betriebstechnische Organisations-, Leitungs- und Überwachungsbefugnis entzogen ist, an den Masseverwalter.

VersVG § 6 Abs 3: Zulässigkeit des Kausalitätsgegenbeweises nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, nicht aber bei Verschleierungsvorsatz.

OGH 22.10.2008, 7 Ob 157/08a

Thema: Gebäudebündel-Versicherung; strenge Wiederherstellungsklausel; Sicherung der Wiederherstellung

VersVG §  97, §  98; Art 6 Klipp&Klar-Bedingungen für die Einbruchsdiebstahl-, Feuer-, Leitungswasser- und Sturmschadenversicherung: Strenge Wiederherstellungsklauseln in der Neuwertversicherung regeln keine Obliegenheit, sondern begrenzen das Risiko, indem sie an ein objektives Tatbestandsmerkmal anknüpfen, nämlich an die fristgerechte Sicherung der Wiederherstellung.

VersVG §  11, §  97, §  98:  Die Fälligkeit der Neuwertdifferenz ist bis zur Sicherung der Wiederherstellung aufgeschoben. Dies gilt auch bei Veräußerung der versicherten Sache vor Sicherung der Wiederherstellung.

VersVG §  97: Sicherung der Wiederherstellung ist eine Frage des Einzelfalls. 100%ige Sicherheit kann nicht verlangt werden, es reicht, wenn angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung bestehen.

OGH 30.6.2010, 7 Ob 18/10p

Thema: Unfallversicherung; Wertsicherungsklausel

AUVB 1988 Art 1, Art 2, Art 3, Art 4, Art 14 Z 3; Besondere Bedingung U460; Wertsicherungsklausel I011: Die Wertsicherungsklausel bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf Versicherungssummen und Prämien, eine zusätzliche Valorisierung der einzelnen monatlichen Rentenzahlungen wird nicht angeordnet. Für die Höhe der Unfallrente ist ferner der Zeitpunkt des Unfalls maßgebend und nicht jener der Fälligkeit der Versicherungsleistung. OGH 5.11.2008, 7 Ob 232/08f

Thema: Unfallversicherung; Invalidität; Summenversicherung

AUVB 1999 Art 7 Pkt 3: Lässt sich der Grad der Invalidität nicht nach der Gliedertaxe bestimmen, so ist maßgebend, wie weit die körperliche oder geistige Funktionsfähigkeit nach medizinischen Gesichtspunkten beeinträchtigt ist.

VersVG § 55: Die Invaliditätsabgeltung dient zwar der pauschalen Abdeckung eines typischen Einkommensausfalls. Sie ist jedoch eine Summenversicherung und daher unabhängig von der Höhe eines konkreten Mehraufwands des Versicherungsnehmers.

OGH 18.11.2009, 7 Ob 186/09t

Thema: Unfallversicherung; Invalidität; Summenversicherung; vollständige Berufsunfähigkeit; Kenntnis des Abschlussagenten 

ABGB § §  914, 915: Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen nach §  914 am Maßstab eines durchschnittlich vernünftigen Versicherungsnehmers, der ihm erkennbare Zweck der Bestimmung ist dabei zu berücksichtigen. Unklarheiten gehen nach §  915 zu Lasten des Versicherers (st RSp.)

VersVG §§  179 ff: Die Invaliditätsentschädigung ist Summenversicherung, daher hängt ihre Höhe nicht von einer konkreten Erwerbsminderung des Versicherungsnehmers ab.

VersVG §§  179 ff; K-AUVB Art 7.6.: Vollständige Berufsunfähigkeit liegt nach dem klaren Wortlaut der Klausel vor, wenn dem Versicherungsnehmer die weitere Ausübung der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht mehr zugemutet werden kann. Auf den erlernten Beruf kommt es nicht an.

VersVG §  45: Die Kenntnis des Abschlussagenten ist dem Versicherer zuzurechnen, daher schadet eine Fehlbezeichnung des Berufs des Versicherungsnehmers im Antragsformular durch den Agenten dem Versicherungsnehmer nicht.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 19/10k

Thema: Unfallversicherung; Fluggast; Beweislast

VersVG §§ 1 ff; §§ 74 ff; LFG § 154; ALHB Art 1 Pkt 2.2; Besondere Bedingung Nr 4672 (Fluggastunfallversicherung): Versichert (§§ 74 ff VersVG) in einer Fluggastunfallversicherung ist der Fluggast, die entsprechenden Passage der Versicherungsbedingungen zählt zur primären Risikoumschreibung. Der Versicherungsnehmer/Versicherte  hat den Eintritt des Versicherungsfalls zu beweisen, der Versicherer das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 149/09a

Thema: Unfallversicherung; Verzicht auf SV-Verfahren

VersVG §  11, § §  64 f; AUVB 2003 Art 15: Bis zur Entscheidung der Ärztekommission ist die Fälligkeit der Leistung hinausgeschoben. Beide Seiten können diese Entscheidung fakultativ beantragen oder darauf verzichten.

Mit Rücksicht auf den Zweck der Einrichtung der Ärztekommission, Meinungsverschiedenheiten rasch beizulegen, ist von einem Versicherer, der noch vor Ablauf der in den AUVB vorgesehenen Sechsmonatsfrist vom Versicherungsnehmer auf Leistung geklagt wird, zu verlangen, dass er den Einwand, seinerseits die Ärztekommission anrufen zu wollen, ungesäumt erhebt. Andernfalls ist von einem Verzicht des Versicherers auszugehen.

OGH 5.5.2010, 7 Ob 222/09m

Thema: Haushaltsversicherung; Vandalismus; Beweislast

ABH 2001 Art 2 Pkt 4.1.1., Pkt 4.5: Vandalismus ist nur gedeckt, wenn der Täter versicherte Sachen vorsätzlich zerstört, nachdem er durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen, Fenstern oder anderen Gebäudeteilen in die Versicherungsräumlichkeiten eingedrungen ist.

VersVG §§ 1 ff: Der Versicherungsnehmer hat den Eintritt des Versicherungsfalls zu beweisen.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 210/09x

Thema: Rechtsschutzversicherung; Erfolgsaussichten

ARB 1994 Art 9, Art 9 Z 2.2; VersVG §§ 158j ff: Feststellungen über Tatfragen, die den Haftpflichtprozess betreffen, sind im Deckungsprozess nicht vorwegzunehmen. Dies gilt auch für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Haftpflichtverfahrens.

Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist kein strenger Maßstab anzuwenden.

OGH 27.8.2008, 7 Ob 103/08k

Thema: Rechtsschutzversicherung; „Katastrophe“

ABGB § 914; ARB 2000 Art 7: Eine Katastrophe ist nach allgemeinem Sprachgebrauch ein besonders schweres Schadenereignis, nach den Ursachen der Katastrophe wird nicht differenziert. Auch auf die Vorhersehbarkeit des Ereignisses kommt es nicht an.

OGH 10.12.2008, 7 Ob 243/08y

Thema: Vorvertragliche Anzeigeobliegenheiten VN

VersVG §§ 16 ff, § 20, § 21: Vor dem Rücktritt des Versicherers wegen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten eingetretene Versicherungsfälle sind mangels Kausalität gedeckt; auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung durch den Versicherungsnehmer kommt es hingegen nicht an.

OGH 2.9.2009, 7 Ob 72/09b

Thema: Vorbeugende Obliegenheiten; Alkoholklausel

VersVG § 6 Abs 2: Ein Verstoß gegen die Alkoholklausel liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer sein Fahrzeug einer alkoholisierten Person überlassen hat. Leistungserhaltend wirkt aber der Beweis mangelnden Verschuldens und mangelnder Kausalität.

Mit einem Blutalkoholwert von 0,8 Promille gilt der Fahrzeuglenker als alkoholisiert, es steht ihm kein Gegenbeweis zu.

OGH 11.9.2008, 7 Ob 177/08t

Thema: Vorbeugende Obliegenheiten; Alkoholklausel

VersVG § 6 Abs 2: Der Versicherer hat die Obliegenheitsverletzung zu beweisen. Dem Versicherungsnehmer obliegt der Beweis mangelnden Verschuldens und der Kausalitätsgegenbeweis.

StVO § 5 Abs 1a; AEKHB 11/2003 Art 9 Pkt 2.2: Ab einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille gilt der Lenker als durch Alkohol beeinträchtigt, wobei ihm kein Gegenbeweis zusteht. Darunter müssen weitere Umstände vorliegen, die den Lenker relativ fahruntüchtig machen, wie Übermüdung, Erkrankung, Medikamenteneinfluss, Alkoholintoleranz oder Erregungszustände. Das Vorliegen dieser Umstände hat der Versicherer zu beweisen.

OGH 27.8.2008, 7 Ob 158/08y

Thema: Vorbeugende Obliegenheiten Sturmschadenversicherung; grobe Fahrlässigkeit

VersVG § 6 Abs 2, § 62;  S-ABS 1996 Art 3, Art 12: S-AStB 1996 Art 5: Die Obliegenheit zur Instandhaltung der versicherten Gebäude umfasst auch Maßnahmen, um bestehenden Statikmängeln entgegenzuwirken (Baumaßnahmen oder rechtzeitiges Abschaufeln von Schnee).

VersVG § 61; S-ABS 1996 Art 3, Art 12: Grobe Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers, dem anlässlich eines Schadens bekannt wird, dass das Dach seines in schneereicher Gegend befindlichen Gebäudes unterdimensioniert ist und der keinerlei Maßnahmen gegen neuerliche Schadensfälle unternimmt.

VersVG § 6 Abs 2: Die Beweislast für die Verletzung einer Obliegenheit trägt der Versicherer, dem Versicherungsnehmer obliegen Entschuldigungs- und Kausalitätsgegenbeweis.

VersVG § 6 Abs 1: Keine Kündigungsmöglichkeit des Versicherers mangels Verschuldens des Versicherungsnehmers am Obliegenheitsverstoß. Der „Kündigungszwang“ nach § 6 Abs 1 l.S. besteht nicht, wenn der Versicherer erst nach Eintritt des Versicherungsfalls von der Obliegenheitsverletzung Kenntnis erlangt hat.

OGH 3.6.2009,  7 Ob 33/09t

Thema: Aufklärungsobliegenheit nach Schadensfall; Einbringung eines Betriebs; Abgrenzung Agent/Makler

AWB Art 7; VersVG § 6 Abs 3: Zu Zweck und Rechtsfolgen der Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit im Schadensfall (st Rsp). Der zulässige Kausalitätsgegenbeweis ist strikt zu führen (st RSp).

MaklerG §§ 1 ff, §§ 26 ff; VersVG §§ 43 ff: Ein Versicherungsmakler ist, obwohl regelmäßig Doppelmakler, dem Versicherungsnehmer zuzurechnen; der Versicherungsagent hingegen fällt in die Sphäre des Versicherers (st Rsp).

GmbHG §§ 1 ff: Bei Einbringung des Betriebs eines Einzelunternehmers in eine GmbH als Kapitalgesellschaft liegt keine Gesamtrechtsnachfolge vor, vielmehr gehen die Vermögensgegenstände und Rechte des Einzelunternehmers im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die Gesellschaft über (st RSp).

GmbHG § 18 Abs 5, Abs 6: Über Rechtsgeschäfte, die zwischen dem einzigen Gesellschafter einer GmbH und der Gesellschaft abgeschlossen werden, ist unverzüglich eine Urkunde zu errichten, wobei vorzusorgen ist, dass nachträgliche Änderungen des Inhalts und Zweifel über den Zeitpunkt des Abschlusses ausgeschlossen sind. Ein Verhandlungsprotokoll über eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung erfüllt die an ein solches Protokoll zu stellenden Anforderungen.

OGH 11.2.2009, 7 Ob 256/08k

Thema: Vertragsübergang Betriebshaftpflicht-Versicherung

VersVG § 151 Abs 2: Der Erwerber des Unternehmens tritt in die bestehende Betriebshaftpflichtversicherung ein, sobald das Haftpflichtrisiko auf ihn übergegangen ist. Er ist damit forderungsberechtigt für Versicherungsfälle, die nach dem Vertragsübergang eingetreten sind, vor diesem Zeitpunkt entstandene Ansprüche stehen dem Veräußerer zu.

ABGB § 1445; VersVG § 149; AHVB 1993 Art 7 Pkt 6: Die nach dem Schadensfall eingetretene zufällige Vereinigung von Haftpflichtforderung und Haftpflichtschuld in einer Person (Konfusion) befreit den Versicherer nicht von seiner Deckungspflicht.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 104/09h

Thema: Deckungsbereich Betriebshaftpflicht-Versicherung

AHVB 1995 Art 1, Art 7 Z 1: Gedeckt sind Sachschäden, Personenschäden und solche Vermögensschäden, die auf einen gedeckten Sach- oder Personenschaden zurückzuführen sind. Reine Vermögensschäden sind hingegen mangels gesonderter Vereinbarung nicht versichert.

Mangelfolgeschäden, die durch einen ausgeschlossenen Sachschaden mittelbar verursacht werden, sind ebenfalls nicht gedeckt.

Es entspricht dem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, das Unternehmerrisiko nicht auf den Versicherer zu überwälzen.

OGH 27.8.2008, 7 Ob 114/08b

Thema: Keine Betriebsunterbrechung bei Urlaubssperre

VersVG § 55: Eine Betriebsunterbrechungsversicherung ist Sachversicherung des Betriebs und nicht Personenversicherung. Versicherungsobjekt ist der Betrieb, wie er vom Versicherungsnehmer üblicherweise geführt wird.

Während einer alljährlichen und bereits vor dem Versicherungsfall feststehenden Betriebssperre ist eine Betriebsunterbrechung wegen Arbeitsunfähigkeit ausgeschlossen.

OGH 28.10.2009,  7 Ob 98/09a

Thema: Umfang Risikoausschluss AKHB

AKHB 2004 Art 8 Pkt 2: Der Risikoausschluss von Ersatzansprüchen wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens des versicherten Fahrzeugs und mit ihm beförderter Güter umfasst auch Folgekosten solcher Schäden (hier: Entsorgung).

OGH 24.9.2008, 7 Ob 197/08h

Thema: Unfallbegriff EKHG; VerkehrsopferG

EKHG § 1: Der Unfallbegriff des EKHG umfasst auch die vorsätzliche Beschädigung eines Verkehrsteilnehmers durch einen anderen; die Haftung des Halters erstreckt sich daher auch darauf, dass ein mitversicherter Lenker das haftpflichtversicherte Fahrzeug absichtlich als Waffe benutzt.

VersVG § 78, § 152; VerkehrsopferschutzG § 2 Abs 1 Z 4: Wohl haftet der Haftpflichtversicherer nicht, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt. Dies gilt auch gemäß § 78 VersVG auch für den Lenker, auch diesem gegenüber besteht bei vorsätzlicher Handlung keine Deckung. Jedoch sind solche subjektiven Risikoausschlüsse, die in der Person des Mitversicherten liegen, dem Versicherungsnehmer als Halter nicht zuzurechnen. Der Haftpflichtversicherer haftet dem geschädigten Dritten bei vorsätzlicher Schädigung durch den mitversicherten Lenker.

An diesem Ergebnis hat die Einfügung der Z 4 des § 2 VerkehrsopferschutzG nichts geändert.

OGH 22.10.2008, 7 Ob 211/08t

Thema: Mitversicherung KHVG

KHVG § 2 Abs 2: Der Fahrzeuglenker ist nur mitversichert, wenn und solange er mit Willen des Halters bei der Verwendung des Fahrzeugs tätig war. Ein Ersatzanspruch des Halters/Versicherungsnehmers als Beifahrer gegen den Haftpflichtversicherer setzt voraus, dass er durch einen mitversicherten Lenker geschädigt wurde. Die Beweispflicht für die Befugnis des Lenkers trifft den geschädigten Halter/Versicherungsnehmer, allerdings spricht die Tatsache, dass er am Beifahrersitz saß, prima facie dafür, dass das versicherte Fahrzeug mit seinem Willen von einem Dritten gelenkt wurde.

OGH 30.3.2009, 7 Ob 289/08p

Thema: Versicherung für fremde Rechnung AKHB; Mithalter

AKHB 1995 Art 2, Art 8 Z 1; EKHG §§ 1 ff; VersVG §§ 74 ff; ABGB § 896: Der Versicherungsnehmer zählt nicht zum Kreis der Mitversicherten, daher erfasst ihn der Ausschluss des Art 8 Z 1 AKHB 1995 nicht.

Gesellschafter einer ARGE sind Mithalter eines Fahrzeugs.

OGH 27.8.2008, 7 Ob 137/08k

Thema: Versicherung für fremde Rechnung; Vinkulierung

VersVG §§ 74 ff; ABGB § 1431, § 1400; Vinkulierung (Zahlungssperre): Wird die Versicherungsleistung rechtsgrundlos über eine Anweisung an den versicherten Leasinggeber und Vinkulargläubiger erbracht, so steht der auf § 1431 ABGB gestützte Kondiktionsanspruch des Versicherers nicht diesem gegenüber, sondern gegenüber dem Versicherungsnehmer zu.

OGH 8.7.2009, 7 Ob 123/09b

Thema: Haushaltsversicherung; „bewohnter Raum“; Sicherung der Wiederherstellung

ABH 2005 Art 3: Ein eingerichteter und benützter Wellnessraum im Keller eines Einfamilienhauses ist ein „bewohnter Raum“ im Sinne des Art 3 ABH 2005.

VersVG § 56: Für das Vorliegen von Unterversicherung ist der Versicherer beweispflichtig.

VersVG §§ 74ff: Bei der Versicherung für fremde Rechnung ist grundsätzlich der Versicherungsnehmer formell zur Verfügung über die Ansprüche gegen den Versicherer berechtigt. Ein eigenes Klage- oder Verfügungsrecht besteht nur dann, wenn der Versicherte die Polizze besitzt, der Versicherungsnehmer zustimmt oder den Anspruch erkennbar nicht weiter verfolgen will (stRsp).

VersVG § 97; ABH 2005 Art 6 Pkt 5: Eine Wiederherstellungsklausel bei Neuwertversicherung ist eine Risikobeschränkung. Die Neuwertdifferenz ist bis zur Sicherung der Wiederbeschaffung/Wiederherstellung nicht fällig. Wann gesichert ist, ist eine Frage des Einzelfalls, jedoch kann 100%ige Sicherheit nicht verlangt werden.

OGH 30.9.2009, 7 Ob 111/09p

Thema: Haustier-Versicherung; gedehnter Versicherungsfall

Petplan Tierversicherung für Hunde und Katzen 1999 Art 10: Endet der Versicherungsvertrag während eines gedehnten Versicherungsfalls, so hat der Versicherer regelmäßig auch die Schäden zu decken, die über den Versicherungszeitraum hinausreichen, sofern der Versicherungsfall nur innerhalb des Haftungszeitraums eingetreten ist.

Petplan Tierversicherung für Hunde und Katzen 1999 Art 12 Z 1.2: Die höhenmäßige Begrenzung der Entschädigung bezieht sich auf das Versicherungsjahr, nicht auf den einzelnen Versicherungsfall.

OGH 11.9.2008, 7 Ob 171/08k

Thema: Grobe Fahrlässigkeit

VersVG § 61: Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls, wenn schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und Maßnahmen nicht ergriffen werden, die jedermann einleuchten müssen. Es handelt sich dabei stets um eine Frage des Einzelfalls (st Rsp).

Grob fahrlässig handelt, wer in einem geschlossenen Raum einen nur für den Betrieb im Freien geeigneten 500 Watt-Halogenscheinwerfer aufstellt und das Lokal ohne Ausschalten des Scheinwerfers für längere Zeit verlässt, zumal, wenn sich leicht Entflammbares in der Nähe des Scheinwerfers befindet.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 207/09f

Thema: Klagsfrist; Verzicht auf Präklusionseinwand

VersVG § 12 Abs 3: Die Ausschlussfrist wird durch die qualifizierte Ablehnung der Leistung in Gang gesetzt, auf die Berechtigung der Ablehnung kommt es nicht an.

VersVG § 12 Abs 3; ABGB § 879 Abs 1: Die Berufung auf die Ausschlussfrist kann treuwidrig sein, wenn sich der Versicherer auf eine Weise verhalten hat, die den Versicherungsnehmer veranlasste, seinen Anspruch nicht fristgerecht geltend zu machen.

ABGB § 863, § 1444: An einen schlüssigen Verzicht auf den Präklusionseinwand ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dass sich der Versicherer nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einlässt und neue Gutachten anfordert, ist lediglich ein Indiz für einen Verzicht. Die Aufforderung zur Vorlage von Belegen oder der Anschein, der Versicherer wolle seine Ablehnung noch einmal überdenken, reichen allein nicht für die Annahme eines schlüssigen Verzichts.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 147/09g

Thema: Unfallversicherung; Fälligkeit bei SV-Verfahren

VersVG § 11, § 64 Abs 1, § 184 Abs 1; AUVB 1995 Art 15: Die Einrichtung einer Ärztekommission als Schiedsgutachterverfahren bewirkt, dass der Anspruch des Versicherungsnehmers vor dem Abschluss des Verfahrens nicht fällig ist. Im Fall einer dem Versicherer bzw den Sachverständigen zuzurechnenden Verzögerung tritt allerdings Fälligkeit ein.

Der Versicherungsnehmer hat die Verzögerung zu beweisen.

An die Verzögerung des Gutachtens sind strenge Anforderungen zu stellen. Sie liegt nur dann vor, wenn der dafür normalerweise erforderliche Zeitraum deutlich überschritten wurde und die Sachverständigen gemahnt (also auf Erledigung gedrängt) wurden). Der Versicherungsnehmer kann sich auf die Verzögerung nicht berufen, wenn er selbst seiner Mitwirkungspflicht bei der Erstellung des Gutachtens nicht nachgekommen ist.

OGH 28.10.2009, 7 Ob 214/09k

Thema: Unfallversicherung; Fälligkeit bei SV-Verfahren

ABGB § 863, § 1444; VersVG § 11, § 12 Abs 3, § 64 Abs 1, § 184 Abs 1; AUVB 2001 Art 15 Pkt 1: Solange das Ärztekommissionsverfahren nicht durchgeführt wurde, ist die Leistung des Unfallversicherers nicht fällig.

Fälligkeit und damit die Möglichkeit zur Leistungsklage besteht allerdings dann, wenn der Versicherer auf die Durchführung des Verfahrens verzichtet, indem er die Leistung endgültig ablehnt. Dazu bedarf es nicht unbedingt einer Ablehnung nach § 12 Abs 3 VersVG. Teilt der Versicherer mit, eine Bestellung eines Obmanns sei „nicht notwendig“ und „der Akt werde aus der Evidenz genommen“, ist das als Verzicht auf das Sachverständigenverfahren zu deuten.

OGH 3.6.2009, 7 Ob 51/09i

Thema: Unfallversicherung; unwirksame Kostenklausel für SV-Verfahren

VersVG § 64; ABGB § 914: Vertragsergänzung nach dem hypothetischen Parteiwillen bei unwirksamer Kostentragungsklausel für ein Sachverständigenverfahren.

OGH 2.9.2009, 7 Ob 75/09v

Thema: Unfallversicherung; „Krankheitserscheinungen“

ABGB § 914; U500 AUB Art 21 Z 5: Unter „Krankheitserscheinungen“ versteht ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer degenerative Veränderungen, die über das altersgemäße Normalmaß hinausgehen. Es handelt sich dabei um einen Zustand, der Beschwerden verursacht, also im allgemeinen Verständnis als krankhaft gilt. Ob der Versicherungsnehmer dies subjektiv als schmerzhaft und behandlungsbedürftig empfindet oder nicht, spielt keine Rolle.

OGH 30.9.2009, 7 Ob 135/09t

Thema: Lebensversicherung; Bezugsrecht

VersVG § 166: Mit dem Eintritt des Versicherungsfalls erwirbt der bisher widerruflich Bezugsberechtigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung unmittelbar, originär und unwiderruflich. Das Bezugsrecht kann daher nur bis zum Eintritt des Versicherungsfalls geändert werden.

VersVG §§ 159 ff, § 166: Hängt der Anspruch auf Rentenzahlungen aus einer Lebensversicherung davon ab, dass der Versicherte den einzelnen Rentenzahlungstag erlebt, dann tritt der Versicherungsfall bei monatlichen Rentenzahlungen monatlich ein. Ist hingegen monatliche Rentenzahlung für einen bestimmten Zeitraum unabhängig vom Erleben des Versicherten garantiert, so tritt der Versicherungsfall bereits mit dem Erleben des für den Rentenbeginn festgelegten Zeitraums ein. Eine Bezugsrechtsänderung ist danach nicht mehr möglich.

OGH 2.9.2009, 7 Ob 87/09h

Thema: Mitteilungspflichten des Lebensversicherung

VAG § 18b Abs 2 Z 2: Ein über die nach § 18b Abs 2 Z 2 VAG jährlich vom Versicherer zu erstattende Mitteilung des Stands der Gewinnbeteiligung hinausgehender Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rechnungslegung besteht auch nach der VAG-Novelle 1994 nicht.

OGH 29.4.2009, 7 Ob 59/09s

Thema: Gefahrerhöhung; Anlage auf Dauer

VersVG §§  23 ff: Eine einmalige und relativ kurzzeitige Änderung der Gefahrensituation ist keine Gefahrerhöhung. Sehr wohl aber Gefahrerhöhung, wenn der Versicherungsnehmer immer wieder drei bis viermal im Jahr die Kippmulde seines Traktors mit ca 200 kg Steinen belädt, ohne die Frontausgleichsgewichte zu verwenden. Er nimmt damit wiederkehrend dasselbe erhöhte Risiko auf sich, wenn auch beschränkt auf bestimmte Fahrten.

OGH 29.9.2010, 7 Ob 129/10m

Thema: Sachverständigenverfahren

VersVG §  64; ABGB §  863: Die Einleitung des Schiedsgutachterverfahrens schiebt die Fälligkeit der Leistung des Versicherers hinaus. Bei einem auch schlüssig möglichen Verzicht auf das Verfahren tritt Fälligkeit ein. In diesem Fall ist nicht eine Feststellungs-, sondern eine Leistungsklage zu erheben.

OGH 29.9.2010, 7 Ob 120/10p

Thema: Wiederherstellungsklausel

VersVG §  97: In der Neuwertversicherung sind strenge Wiederherstellungsklauseln als Teil der objektiven Risiko-begrenzung einzustufen. Ihr Zweck liegt in der Begrenzung des Risikos, das ohne Zweckbindung entstünde. Unter diesem Aspekt hat die Einzelfallbeurteilung, ob Wiederherstellung im Sinne der Klausel vorliegt, nach strengen Kriterien zu erfolgen.

OGH 29.9.2010, 7 Ob 167/10z

Thema: Haftpflichtversicherung, Verhältnis Versicherer und Geschädigter 

VersVG §156, §158c Abs5: Der geschädigte Dritte kann den Haftpflichtversicherer aus dem Gesetz nicht unmittelbar in Anspruch nehmen, sondern muss sich an den ersatzpflichtigen Versicherungsnehmer halten. Dies schließt aber nicht aus, dass sich der Versicherer unmittelbar mit dem geschädigten Dritten auseinandersetzt und dahin vergleicht, dass er die Verbindlichkeit des Versicherungsnehmers übernimmt.

OGH 29.9.2010, 7 Ob 95/10m

Thema: Haftpflichtversicherung; keine zulässige Nebenintervention des Geschädigten im Deckungsprozess

ZPO §  17 Abs 1: Wer ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Partei in einem Rechtsstreit hat, kann dieser Partei als Nebenintervenient beitreten. Ein bloß wirtschaftliches Interesse reicht für die Nebenintervention nicht aus, daher kann zB der Geschädigte im Deckungsprozess des Versicherungsnehmers gegen den Haftpflichtversicherer nicht als Neben-intervenient an der Seite des Versicherungsnehmers eintreten. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet wurde.

OGH 22.10.2010  7 Ob 178/10t

Thema: Berufshaftpflicht-Versicherung Wertpapierdienstleister; zulässige Ausschlüsse

WAG 1996 §  20 Abs 5; VersVG §  158c: Der geschädigte Dritte kann in der Pflichthaftpflichtversicherung im Wege der Direktklage nur jene Ansprüche gegen den Versicherer geltend machen, die durch den Vertrag gedeckt sind. Die Zulässigkeit von Ausschlüssen aus dem Versicherungsschutz muss sich am Zweck der Pflichthaftpflichtversicherung orientieren.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 33/10v

Thema:  Betriebshaftpflicht-Versicherung; Verjährung von Ansprüchen bei teilweiser Geltendmachung; Hemmung der Verjährung

ABGB §  1478; VersVG §  12 Abs 1: Die Verjährung beginnt in dem Zeitpunkt, zu dem das Recht erstmals hätte aus-geübt werden können, das ist in der Regel die Fälligkeit. Bei einer Haftpflichtversicherung ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der geschädigte Dritte den Versicherungsnehmer ernstlich in Anspruch nimmt.

VersVG §  12 Abs 2: Die Fortlaufshemmung der Verjährung hängt von der schriftlichen, begründeten Ablehnung der Leistung ab, sie endet mit dem Zugang der Ablehnung, jedenfalls aber nach 10 Jahren absolut. Eine Abfindungserklärung genügt den Anforderungen an die Ablehnung nicht.

VersVG § §  1 ff, §  12 Abs 2: Die Schadensmeldung des Versicherungsnehmers ist als Erhebung von Ansprüchen zu sehen, der Anspruch muss der Höhe nach noch nicht beziffert sein. VersVG §  12 Abs 1, Abs 2: Der von einem (einzigen) Versicherungsfall ausgelöste, dem Grund nach uneingeschränkt angemeldete Deckungsanspruch in der Haftpflichtversicherung unterliegt auch dann einer einheitlichen Verjährung, wenn der Versicherungsnehmer vorerst vom Geschädigten nur wegen eines Teils des eingetretenen Schadens in An-spruch genommen wird und erkennbar ist (oder sogar feststeht), dass der Versicherungsnehmer wegen des restlichen gedeckten Schadens noch in Anspruch genommen werden kann. Die Verjährung nach § 12 Abs 1 VersVG beginnt daher in diesem Fall auch für den vorhersehbaren restlichen Deckungsanspruch mit der ersten, auch nur teilweisen Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers.

Das gilt auch für die 10-jährige absolute Verjährungsfrist des § 12 Abs 2 letzter Satz VersVG, die bei Hemmung der Verjährung auch zu laufen beginnt, wenn zwar ein Teil des Anspruchs des Versicherungsnehmers vom Versicherer erfüllt wurde, der Versicherer aber zum restlichen, dem Grund nach angemeldeten und vorhersehbaren Deckungsanspruch keine schriftliche Entscheidung im Sinn des § 12 Abs 2 VersVG getroffen hat.

OGH 1.9.2010, 7 Ob 91/10y

Thema: Rechtsschutzversicherung; Verstoß bei Verwendung unwirksamer Vertragsklausel

ARB 2007 Art 2 Z 3: Ein Verstoß ist ein tatsächlicher, objektiv feststellbarer Vorgang, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Unmaßgeblich ist, ob sich der Handelnde des Verstoßes bewusst oder nicht bewusst war. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner konfliktauslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Auf den Zeitpunkt der Kenntnis vom Verstoß kommt es ebenso wenig an wie auf jenen der Anspruchserhebung.

Verwendet der Gegner des Versicherungsnehmers eine unwirksame (hier: intransparente) Vertragsklausel, liegt der Verstoß bereits bei Abschluss dieses Vertrags vor.

OGH 1.9.2010, 7 Ob 144/10t

Thema: Zusage Direktverrechung; Krankenversicherer/Krankenanstaltsträger

Zum Wesen der Direktverrechnungszusage im Dreiecksverhältnis Versicherer – Versicherungsnehmer – Krankenanstaltsträger.

Dem Versicherer stehen nach Abgabe der Kostenübernahmeerklärung folgende Einwendungen der Krankenanstalt gegenüber zu: Erstens aus dem Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, dem Versicherungsvertrag; zweitens aus dem Rechtsverhältnis zwischen Zedenten (Patienten) und Zessionar (Krankenanstalt), den Behandlungsvertrag oder die Falschverrechnung von Leistungen betreffend; und drittens aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer und der Krankenanstalt selbst, nämlich dem Verrechnungsabkommen, hier: Meistbegünstigungsklausel/Einbettzimmerzuschlag.

OGH 21.4.2010, 7 Ob 30/10b

Thema: Zusage Direktverrechung; Krankenversicherer/Krankenanstaltsträger

Zum Wesen der Direktverrechnungszusage im Dreiecksverhältnis Versicherer – Versicherungsnehmer – Kranken-anstaltsträger.

Dem Versicherer stehen nach Abgabe der Kostenübernahmeerklärung folgende Einwendungen der Krankenanstalt gegenüber zu: Erstens aus dem Rechtsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, dem Versicherungsvertrag; zweitens aus dem Rechtsverhältnis zwischen Zedenten (Patienten) und Zessionar (Krankenanstalt), den Behandlungsvertrag oder die Falschverrechnung von Leistungen betreffend; und drittens aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherer und der Krankenanstalt selbst, nämlich dem Verrechnungsabkommen, hier: Honorar der Belegärzte.

OGH 22.10.2010, 7 Ob 121/10k

Thema: Lebensversicherung; frühzeitige Kündigung; Vermittlerprovision bei Brutto- und Nettopolizze; Kontrolle von Klauseln einer Provisionsvereinbarung zwischen Makler und Kunden

VersVG §  176 Abs 5, Abs 6: § 176 Abs 5 und 6 VersVG gelten nur für das System der Bruttopolizze (wonach die Vermittlungsprovision nicht vom Kunden, sondern vom Versicherer bezahlt wird). Sie sind auf die Nettopolizze nicht analog anzuwenden.

KSchG §  28; ABGB §  914: Im Verbandsprozess sind Vertragsklauseln stets im kundenfeindlichsten Sinn auszulegen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist im Verbandsprozess nicht möglich.

MaklerG §  28; KSchG §  6 Abs 3: Intransparenz einer Provisionsklausel, wonach die Pflichten des Maklers gegenüber dem Kunden eingeschränkt werden.

ABGB §  879 Abs 3: Gröbliche Benachteiligung durch eine Klausel, wonach der Provisionsanspruch auch dann bestehen bleibt, wenn der Versicherungsvertrag wegen eines Wurzelmangels ex tunc (lat. „von damals an“) beseitigt wird und ferner, wenn er wegen eines (Fehl-)verhaltens des Maklers vorzeitig endet.

KSchG §  6 Abs 3: Vermittlungsgebühr-Klausel eines Maklers nicht intransparent.

ABGB §  879 Abs 1: Keine Sittenwidrigkeit der Vermittlungsgebührenvereinbarung wegen Überhöhung.

OGH 7.3.2010, 7 Ob 13/10b

Thema: Kein Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Lebensversicherer auf Rechnungslegung oder eine bestimmte Veranlagung

VAG §  18b Abs 1, Abs 2 Z 2: Der Versicherungsnehmer hat jährlich Anspruch auf Mitteilung vom Stand der Gewinn-beteiligung, eine darüber hinausgehender Anspruch auf Rechnungslegung besteht nicht. Die Art der Verwendung der Prämien und die Festsetzung der Höhe der Gewinnbeteiligung ist eine unternehmerische Entscheidung des Versicherers. Diese kann auch den Erwerb von Aktien zulassen. Aus den aufsichtsrechtlichen Verpflichtungen des Versicherers nach dem VAG kann der Versicherungsnehmer keine subjektiven Rechtsansprüche ableiten.

OGH 29.9.2010, 7 Ob 151/10x

Thema: Elektrohubstapler als „Transportkarren“ gemäß VOEG

KFG § 1 Abs 2 lit b, § 2 Abs 1 Z 19; VOEG § 6 Abs 1 Z 1: Ein Transportkarren ist ein Kraftfahrzeug, das nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern sowie in erster Linie zur Verwendung innerhalb von Betriebsanlagen bestimmt ist. Ein Elektrohubstapler fällt unabhängig von seinem konkreten Einsatz unter diese Definition.

OGH 22.10.2010, 7 Ob 199/10f

Thema: Lebensversicherung; Gefahrsperson; schriftliche Zustimmung zu Vertragsabschluss 

VersVG §  159 Abs 2: Wird eine Lebensversicherung für den Tod eines anderen genommen und übersteigt die Leistung die gewöhnlichen Begräbniskosten, so bedarf es für die Wirksamkeit des Vertrags der schriftlichen Zustimmung der Gefahrsperson. Die schriftliche Zustimmung kann weder dadurch ersetzt werden, dass die Gefahrsperson die Prämien zahlt und auch nicht durch eine Vinkulierung zugunsten einer Bank.

OGH 24.11.2010, 7 Ob 189/10k

Thema: „Pseudomakler“

MaklerG §§  26 ff; VersVG §  43, §  43a: Der Versicherungsmakler ist, obwohl Doppelmakler, dem Versicherungsnehmer als dessen „Bundesgenosse“ zuzurechnen. Allerdings haftet der Versicherer auch für das Fehlverhalten eines Maklers, sofern ein wirtschaftliches Naheverhältnis zu ihm besteht, das die überwiegende Wahrung des Interessen des Versicherungsnehmers zweifelhaft erscheinen lässt (§  43a, „Pseudomakler“). Das Vorliegen des Naheverhältnisses ist im Einzelfall zu beurteilen.

Der Versicherungsnehmer hat dieses Naheverhältnis zu beweisen.

Ein Anteil von 17% eines Versicherers am Gesamtumsatz eines Maklers reicht allein für die Annahme eines solchen Naheverhältnisses nicht aus.

OGH 16.2.2011, 7 Ob 15/11y

Thema: Haftpflichtversicherung; Anscheinsvollmacht; Zurechnung von Erklärungen des Versicherers zum Versicherungsnehmer 

ABGB §  863, §§  1002 ff, §  1027, §  1029: Die Zurechnung des Verhaltens des Haftpflichtversicherers zum Versicherungsnehmer außerhalb der Kfz-Haftpflichtversicherung richtet sich nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechts.  Eine Anscheinsvollmacht (Vollmacht kraft Vertrauens auf den äußeren Tatbestand) liegt vor, wenn der Vertretene ein Verhalten setzt, das geeignet ist, im Dritten einen begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zu erwecken.

Spricht der Haftpflichtversicherer drei Mal hintereinander in Vollmacht des Versicherungsnehmer einen Verjährungsverzicht aus und hernach einen vierten, für den keine Vollmacht bestand, wobei der Versicherungsnehmer allerdings den Dritten darauf verweist, dass Gespräche zur Schadensregulierung mit seinem Haftpflichtversicherer geführt werden müssten, ist vom Vorliegen einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Der Versicherungsnehmer ist daher an den weiteren Verjährungsverzicht gebunden.

OGH 27.1.2011, 2 Ob 197/10z

Thema: Haftpflichtversicherung; Versicherung für fremde Rechnung 

VersVG §  74; §  80 Abs 1; ABGB §  863: Die Vermutung, dass dem Versicherer gleichgültig ist, ob die Versicherung für eigene oder fremde Rechnung genommen wurde, gilt nur in der Sachversicherung. In der Vermögensschadensversicherung, insbesondere der Haftpflichtversicherung setzt die Versicherung fremder Interessen nicht nur den entsprechenden Willen des Versicherungsnehmers voraus, sondern auch die Erkennbarkeit dieses Willens für den Versicherer.

Die schlüssige Einbeziehung fremden Interesses muss dem strengen Maßstab des § 863 ABGB genügen.

OGH 9.3.2011, 7 Ob 28/11k

Thema: Unfallversicherung; Verbindlichkeit Sachverständigengutachten

VersVG §  184 Abs 1: Die von der Ärztekommission als Schiedsgutacher getroffenen Feststellungen sind nur dann nicht verbindlich, wenn das Gutachten von der wahren Sachlage erheblich abweicht. Dies liegt vor, wenn sich die Unrichtigkeit dem Sachkundigen aufdrängt. Eine Abweichung bei der Bemessung des Invaliditätsgrads um 5% ist nicht erheblich unrichtig. Die Beurteilung ist allerdings immer Frage des Einzelfalls.

OGH 24.11.2011, 7 Ob 220/10v

Thema: Leitungswasser-Versicherung; 72-Stunden-Klausel; vorbeugende Obliegenheit

ABGB §  914; VersVG §  6 Abs 2; ABH 2007; AWB 2002/2: Die Klausel, wonach der Versicherungsnehmer bei mehr als 72stündiger Abwesenheit die wasserführenden Leitungen im versicherten Objekt abzusperren hat, verhält den Versicherungsnehmer nicht dazu, das Objekt nicht länger als 72 Stunden zu verlassen, sondern erlegt ihm zwecks Gefahrenminderung die vorbeugende Obliegenheit auf, im Fall längerer Abwesenheit die Leitungsanlagen zu sperren.

OGH 16.2.2011, 7 Ob 16/11w

Thema: Aufklärung nach dem Versicherungsfall; Kausalitätsgegenbeweis

VersVG §  6 Abs 3: Anforderungen an den Kausalitätsgegenbeweis. Eine Fotodokumentation des Schadens an dem versicherten, beschädigten Hubschrauber kann eine detaillierte Untersuchung des in seine Einzelteile zerlegten Fluggeräts nicht gleichwertig ersetzen.

OGH 24.11.2010, 7 Ob 201/10z

Thema: Leitungswasser-Versicherung; unrichtige Schadensmeldung; Verschleierungsabsicht; Kausalitätsgegenbeweis; rechtzeitige Nachzahlung der Folgeprämie

ABVB 2005/I Art 11; VersVG §  6 Abs 3: Bei verspäteter oder verfälschter Schadensmeldung tritt unbedingte Leistungsfreiheit bei Verschleierungsabsicht ein, ein Kausalitätsgegenbeweis ist in diesem Fall unzulässig. Für eine Verschleierungsabsicht ist nicht erforderlich, dass der Versicherungsnehmer geradezu und ausschließlich mit der Absicht handelt, den Versicherer zu täuschen. Es genügt, dass er einen für berechtigt gehaltenen Anspruch durchsetzen oder einfach „Schwierigkeiten“ bei der Schadensfeststellung vermeiden will.

VersVG §  6 Abs 3: Bei schlichtem Vorsatz und grober Fahrlässigkeit steht dem Versicherungsnehmer der Kausalitätsgegenbeweis zu. Dieser ist strikt zu führen, es reicht nicht, dass der Versicherungsnehmer die Unwahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs dartut. Der Versicherer bleibt nur dann leistungspflichtig, wenn der Versicherungsnehmer jede mögliche Mitursache des falsch angezeigten Umstands für Schadenseintritt und –höhe ausschließen kann.

VersVG §  39 Abs 3: Rechtzeitige Nachzahlung der Folgeprämie, die den Versicherungsschutz wieder aufleben lässt, sofern der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls (nicht: vor Entdeckung des Schadens) leistet. Der Versicherungsnehmer trägt die Beweislast dafür, dass sein Überweisungsauftrag rechtzeitig erfolgte.

OGH 16.2.2011, 7 Ob 2/11m

Thema: Kfz-Kaskoversicherung; grobe Fahrlässigkeit

VersVG §  61; Kfz-Kaskoversicherung: Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht anstellt und Maßnahmen nicht ergreift, die jedermann einleuchten müssen.

Keine grobe Fahrlässigkeit unter den Umständen des Einzelfalls, wenn der Versicherungsnehmer ausnahmsweise ein mobiles Navigationsgerät an der Windschutzscheibe seines Fahrzeugs zurücklässt, nachdem er seine Lebensgefährtin nach einem akuten Anfall aus dem Krankenhaus geholt und den für den nächsten Tag geplanten Urlaubsantritt storniert hat.

OGH 16.2.2011, 7 Ob 17/11t

Thema: Feuerversicherung; Regress des Versicherers; Familienprivileg

VersVG §  67 Abs 2: Das Familienprivileg (Ausschluss des Regresses gegen mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebende Familienangehörige) umfasst seinem Zweck nach auch Lebensgefährten des Versicherungsnehmers sowie deren in häuslicher Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer lebende Angehörige.

Unter einer Lebensgemeinschaft wird ein eheähnlicher Zustand verstanden, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht. Das umfasst eine Wohnungs-, Geschlechts- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei nicht stets alle diese Merkmale erfüllt sein müssen.

OGH 19.1.2011, 7 Ob 240/10k

Thema: Zurückweisungspflicht; fristwidrige Kündigung

ABGB §  863: Der Versicherer hat fehlerhafte Kündigungen unverzüglich zurückzuweisen. Unterlässt er das, wirkt die Kündigung trotz ihres Fehlers.

Die Frist zur Zurückweisung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Zurückweisung innerhalb weniger als drei Wochen bei einer Kündigung gemäß §  14a KHVG jenseits aller dort genannten Fristen hält sich im zulässigen Rahmen.

OGH 30.3.2011, 7 Ob 255/10s

Thema: Wiederherstellungsklausel; Sicherung der Wiederherstellung

VersVG §  97: Ob die Wiederherstellung gesichert ist oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls. 100%ige Sicherheit kann nicht verlangt werden, jedoch dürfen angesichts der getroffenen Vorkehrungen keine vernünftigen Zweifel an der Durchführung der Widerherstellung bestehen.

Keine Sicherung der Wiederherstellung bei entsprechenden bloßen Absichtserklärungen des Versicherungsnehmers, der Vorlage von Kostenvoranschlägen,  nicht angenommenen Angeboten, reiner Bauplanung und nur behelfsmäßiger Reparatur.

OGH 19.1.2011, 7 Ob 217/10b

Thema: Haftpflichtversicherung; Allmählichkeitsklausel; durch Erddruck verursachte Emissionen

AHVB 1998 Art 7.11; ABGB §  364 Abs 2: Allmähliche Emission ist auch der wegen einer Aufschüttung von Erdreich erhöhte Druck auf eine Böschungsmauer und der dadurch entstandene Wasser- und Eisdruck.

OGH 30.3.2011, 7 Ob 131/10f

Thema: Kreditversicherung; Unwirksamkeit einer Klausel über Erlöschen und fristlose Kündigung bei Insolvenz des Versicherungsnehmers 

VersVG §  14, §  187; ABGB §  879 Abs 3; AVB GAW §  4, §  9, §  15: Eine Klausel, wonach der Kreditversicherungsvertrag bei Zahlungsunfähigkeit des Versicherungsnehmers im Sinne der Konkursordnung fristlos gekündigt werden kann und jedenfalls spätestens mit Eröffnung des Konkursverfahrens oder dessen Ablehnung mangels Masse erlischt, benachteiligt den Versicherungsnehmer gröblich und ist daher nach §  879 Abs 3 ABGB unwirksam.

IO §  25b, §  273 Abs 6, Abs 7: §  25b IO knüpft nicht an den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an, sondern erfasst nur in nach dem 30.6.2010 eröffneten Insolvenzverfahren auch vor dem 1.7.2010 geschlossene Vereinbarungen.

OGH 9.3.2011, 7 Ob 21/11f

Thema: Unfallversicherung; Unfallbegriff, Infektion als Unfallfolge; Obliegenheitsverletzung; grobe Fahrlässigkeit

VersVG §  6 Abs 3, §  61; §  179; AUVB 2003 Art 6 Abs 3, Art 21 Pkt 2.4.: Unter den Unfallversicherungsschutz fallen auch nicht primäre Wundinfektionen und weitere durch die Unfallverletzung ausgelöste Krankheiten.

Unterlässt es der Versicherungsnehmer entgegen den Versicherungsbedingungen, nach dem Unfall unverzüglich ärztliche Behandlung in Anspruch zu nehmen, so verletzt er eine vertragliche Obliegenheit nach §  6 Abs 3 VersVG.

Der Versicherer hat den objektiven Tatbestand der Obliegenheitsverletzung zu beweisen, der Versicherungsnehmer das mangelnde oder bloß leichte Verschulden. Bei grober Fahrlässigkeit und schlichtem Vorsatz steht ihm ferner der Kausalitätsgegenbeweis zu.

Begibt sich der Versicherungsnehmer trotz ausdrücklicher Anweisung des Arztes nicht ins Spital, sondern bleibt er zu Hause, bis er die Schmerzen nicht mehr aushält, handelt er grob fahrlässig.

OGH 9.4.2011, 7 Ob 23/11z

Thema: Unfallversicherung; dauernde Invalidität; 15-Monatsfrist; „ärztlicher Befund“

ABGB §  864a, §  879 Abs 3, §  914: KSchG §  6 Abs 3; VersVG §§  179 ff; AUVB 2001 Art 7 Pkt 1: Die 15-Monatsfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen dauernder Invalidität ist eine Ausschlussfrist, nach deren Verstreichen die Deckungspflicht auch ohne Verschulden des Versicherungsnehmers erlischt.

Der Versicherer ist beweispflichtig für das Vorliegen von Ausschlusstatbeständen.

Ausschlussklauseln unterliegen der Geltungs-, Inhalts- und Transparenzkontrolle.

Ein „ärztlicher Befund“ liegt nach §  914 ABGB vor, wenn dem Versicherer durch einen Arzt die begründete Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität mitgeteilt wird.

OGH 9.3.2011, 7 Ob 9/11s

Thema: Unfallversicherung; irrtümliche Zahlung des Versicherers; Taggeld; Spitalgeld; Genesungsgeld; Vorerkrankung

ABGB §  1431: Erbringt der Versicherer irrtümlich eine Leistung, steht ihm der Rückforderungsanspruch nach §  1431 ABGB zu. Der Bereicherungskläger (hier: Versicherer) hat zu beweisen, dass seine Leistung zur Erfüllung einer Schuld erfolgte und er dabei irrtümlich gehandelt hat.

ABGB §  863, §  1431, §  1444: In der vorbehaltslosen Zahlung des Versicherers ist kein schlüssiger Verzicht auf die Rückforderung einer irrtümlich erbrachten Leistung zu sehen.

USVB 1999 Art 9, Art 10, Art 10a, Art 18 Pkt 3: Taggeld, Spitalgeld, Genesungsgeld sind Summenversicherung und daher ohne konkreten Schadensnachweis zu zahlen. Diese Zahlungen haben nicht Unterhaltscharakter, daher ist Judikat 33 neu (keine Rückforderung gutgläubig verbrauchten Unterhalts) darauf nicht anzuwenden.

ABGB §§  914f; USVB 1999 Art 9, Art 10, Art 10a, Art 18 Pkt 3: Die Kürzung der Leistung wegen bestehender Vorerkrankungen bezieht sich auf alle, also auch auf die Leistungsbestandteile Taggeld, Spitalsgeld und Genesungsgeld. Auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den Vorerkrankungen kommt es dabei nicht an.

OGH 9.3.2011, 7 Ob 19/11m

Thema: Rekurs gegen Zurückweisungsbeschluss des BerufungsG

Weist das Berufungsgericht eine Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurück, ist dieser Beschluss immer mit Rekurs (Vollrekurs) innerhalb von 14 Tagen anfechtbar. OGH 18.5.2011, 7 Ob 63/11g (Prozessthema: Verletzung der Aufklärungspflichten eines Versicherungsmaklers, der den Versicherer bei Beantragung nicht darauf hinweist, dass der Versicherungsnehmer an Mountainbike-Rennen mitwirkt. Da Entscheidung nur zu prozessualen Fragen und Zurückverweisung an Berufungsgericht keine Klärung in der Sache).

Versicherung für fremde Rechnung; Vinkulierung; Anspruchsberechtigung, Leasingvertrag;  Anscheinsvollmacht

VersVG §§  74 ff: Bei Vinkulierung einer vom Leasingnehmer zugunsten des Leasinggebers abgeschlossenen Kaskoversicherung liegt Versicherung für fremde Rechnung vor. Trotz materieller Berechtigung des Versicherten ist der Versicherungsnehmer formell forderungs- und klagsberechtigt, es sei denn, der Versicherte ist im Besitz des Versicherungsscheins, oder der Versicherungsnehmer stimmt zu der Geltendmachung durch den Versicherten (auch in Gestalt einer Vinkulierungs- bzw. Abtretungsvereinbarung) zu, oder der Versicherungsnehmer will den Anspruch erkennbar nicht verfolgen.

ABGB §  863; § 1002 ff: Eine Anscheins- oder Duldungsvollmacht liegt nur vor, wenn der Vertretene durch sein Verhalten einen adäquaten Anschein des Bestehens von Vertretungsmacht erzeugt hat.

OGH 27.4.2011, 7 Ob 39/11b

Thema: Haushaltsversicherung; Vereinbarung AVB; Beratungspflicht Versicherer/Agent

ABGB §  869, §  914; ABH 2002: AVB werden Vertragsbestandteil, sofern sie vereinbart wurden. Dazu reicht die Anführung der AVB auf dem vom Versicherungsnehmer unterfertigten Antragsformular und die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, sich von den AVB Kenntnis zu verschaffen. Auf die Aushändigung der AVB kommt es nicht an.

Mangels vereinbarter AVB kommt der Vertrag ohne AVB zustande, sofern Sparte, Risiko und Prämie feststehen.

ABGB §  1293 ff; VersVG §§  43ff; culpa in contrahendo (lat. „vorvertragliche Haftung“):
Die Aufklärungspflichten des Versicherers/Agenten dürfen nicht überspannt werden. Sie bestehen ua bei erkennbaren Fehlvorstellungen des Versicherungsnehmers.

Ohne weitere Informationen keine Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Agenten in Bezug auf eine Erweiterung des Versicherungsvertrags auf Deckung für Schmuck im Wert von über 60.000 €.

OGH 27.4.2011, 7 Ob 34/11t

Thema: Bauhelferversicherung; Nachbarschaftshilfe

ABGB §  914;  AUVB 1995 Art 16: Die Bestimmungen der AVB über versicherte Bauhelfer sind eindeutig.  Als Bauhelfer im Rahmen der Nachbarschaftshilfe ist versichert, wer vorübergehend aus Gefälligkeit hilft. Auf das Nachbarrecht des ABGB kommt es nicht an, auch nicht auf eine räumliche Nahebeziehung der Wohnung des Helfers zur Baustelle. Nachbarschaftshilfe ist im Familienkreis ebenso üblich wie bei Umbauarbeiten an Häusern, in denen ein Helfer selbst seine Wohnung hat.

AUVB 1995 Art 18: Keine Anrechnung von Vorerkrankungen und Vorinvalidität in einer durch den Unfall nicht betroffenen körperlichen Funktion.

OGH 27.4.2011, 7 Ob 42/11v

Thema: Einbruchsdiebstahls-Versicherung; vereinbarte Sicherungen; Beweislast

Versicherungsfall AEB 1995 Art 1 ff: Der Versicherungsnehmer trägt als Anspruchsberechtigter die Beweislast für das Vorliegen eines vertraglich gedeckten Versicherungsfalls, unabhängig davon, ob er sich auf die primäre Risikobeschreibung oder einen sekundären Risikoeinschluss beruft.

AEB 1995 Art 2 Abs 1, Abs 2, Abs 3: Bei Vereinbarung von Sicherungen erfordert ein Einbruch sowohl das bedingungsgemäße Eindringen in die Versicherungsräumlichkeit als auch ein Aufbrechen oder Öffnen versperrter Behältnisse durch Werkzeuge oder falsche Schlüssel. Ohne Vereinbarung von Sicherungen genügt es, dass Behältnisse aufgebrochen oder durch Werkzeuge oder falsche Schlüssel geöffnet werden.

OGH 30.3.2011, 7 Ob 223/10k

Thema: Unfallversicherung; „vollständige Arbeitsunfähigkeit“; Taggeld

UVB 2001 Klipp und Klar-Bedingungen 02/2001 U 800 Art 9: Taggeld ist als Summenversicherung unabhängig von Bestand und Höhe eines konkreten Vermögensnachteils des Geschädigten zu zahlen. Das Taggeld soll unfallbedingte Einkommensverluste abdecken, hat aber keinen Unterhaltscharakter.

ABGB §  914; UVB 2001 Klipp und Klar-Bedingungen 02/2001 U 800 Art 9: Bei der Auslegung der „vollständigen“ Arbeitsunfähigkeit kann man sich nicht an den Bestimmungen des ASGG orientieren. Eine abgestufte Arbeitsunfähigkeit mit prozentueller Auszahlung des Taggelds ist in den Bedingungen nicht vorgesehen. Nur vollständige, jede Beschäftigung im Rahmen der bisherigen Erwerbstätigkeit verhindernde Arbeitsunfähigkeit löst den Anspruch auf Taggeld in der Unfallversicherung aus.

OGH 18.5.2011, 7 Ob 82/11a

Thema: Haftpflichtversicherung; Fälligkeit; Zahlung an den Versicherungsnehmer 

VersVG §  154, §  156 Abs 1, §  156 Abs 2; §  157: Fälligkeit des einheitlichen Anspruchs des Versicherungsnehmers, sobald er von einem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird.

Der Geschädigte hat – außer in der Kfz-Haftpflichtversicherung – keinen direkten Anspruch gegen den Versicherer, kann aber den Anspruch des Versicherungsnehmers pfänden und sich überweisen lassen, womit er unmittelbar vom Versicherer Ersatz verlangen kann.

Der Haftpflichtversicherer ist weder verpflichtet noch berechtigt, an den Versicherungsnehmer selbst zu zahlen. Der Versicherungsnehmer kann grundsätzlich nur Zahlung an den Geschädigten verlangen; an sich selbst nur dann, wenn er den Geschädigten befriedigt hat oder mit dessen Zustimmung.

Keine Befreiung des Versicherers, der vor Befriedigung des Geschädigten oder ohne dessen Zustimmung an den Versicherungsnehmer leistet.

Die Erteilung der Zustimmung muss der Versicherer beweisen.

OGH 30.3.2011, 7 Ob 241/10g

Thema: Inländische Gerichtsbarkeit; Gerichtsstandsvereinbarung für Großrisken

EuGVVO Art 14: Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nur in den im Art 14 EuGVVO geregelten Fällen wirksam. Dazu zählen auch Großrisken gemäß Art 14 Z 5.

EuGVVO Art 14 Z 5: Die Bestimmung enthält wegen der Wortfolge „in der geltenden Fassung“ eine dynamische Verweisung. Daher soll sich jede spätere Änderung der RL 73/239/EWG auf den Bereich der von Art 14 Z 5 erfassten Großrisken auswirken.

RL 2009/138/EG Art 13 Z 27 lit c; EuGVVO Art 14 Z 5: Die genannte Bestimmung der RL regelt das Großrisiko, wobei für die dort genannten Kriterien auf die Unternehmensgruppe abzustellen ist.

OGH 11.5.2011, 7 Ob 203/10v

Thema: Transportversicherung; CMR; Drittschadensliquidation; Beweislast

ABGB §  1295; CMR Art 17, Art 29: Der beauftragte Spediteur oder Frachtführer kann Ersatzansprüche im Wege der Drittschadensliquidation nicht nur für den Absender, sondern auch für den Transportversicherer, der dem Absender den Schaden ersetzt, geltend machen. Dies setzt keine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Vertragsberechtigten und dem Geschädigten voraus.

ZPO §  184: Die Beweislast für die Beschädigung des Transportguts und für Umstände, aus denen sich das grobe Verschulden des Frachtführers ergeben könnte, trägt der Geschädigte (bzw. der in dessen Interesse agierende Anspruchsteller.  Zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten trifft den Frachtführer nach stRsp aber eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Geschädigten.

OGH 27.4.2011, 7 Ob 216/10f

Thema: Rechtsschutzversicherung; Bauherren-Ausschlussklausel; Vertragliche Forderungen und Schadenersatzforderungen einer GesbR

ABGB §  914: Risikoausschlüsse sind tendenziell eng auszulegen, maßgeblich ist der dem Versicherungsnehmer erkennbare Zweck des Ausschlusses im Regelungszusammenhang. Die Erfüllung eines Risikoausschlusses hat der Versicherer zu beweisen.

ARB 2000 Art 7.1.11: Der Ausschluss der Deckung für die Wahrung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Finanzierung baubewilligungspflichtiger Vorhaben verlangt einen ursächlichen und adäquaten Konnex. Er erfasst daher nur Rechtsstreitigkeiten, die typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sind (wie Fälligstellungen wegen Verzugs, Zinsstreitigkeiten, Schlechtberatung bei Wahl und Gestaltung der Baufinanzierung). Eine Amtshaftungsklage gegen die Republik wegen Versagens der Finanzmarktaufsicht über ein in Konkurs gegangenen Anlage-unternehmen fällt nicht darunter.

VersVG §  158l, § 158n Abs 1; ARB 2000 Art 9.3: Zweck des Schiedsgutachter-verfahrens gemäß § 158l VersVG ist es, dem Versicherungsnehmer in jenen Fällen, in denen sein grundsätzlicher Deckungsanspruch außer Streit steht, für bestimmte andere Meinungsverschiedenheiten eine rasche, kostengünstige Alternative zur gerichtlichen Konfliktlösung anzubieten. Eine Hinweispflicht des Versicherers besteht nur, wenn es wegen der in § 158l Abs 1 VersVG genannten Meinungsverschiedenheiten zu einer Ablehnung der Leistung kommt. Ohne Hinweis gilt das Rechtsschutzbedürfnis des Versicherungsnehmers als anerkannt.

Kommt es aber  wegen einer grundsätzlichen Ablehnung des Versicherungsschutzes gemäß § 158n Abs 1 VersVG zum Deckungsprozess, kann der Versicherer auch mangelnde Leistungspflicht wegen fehlender Erfolgsaussichten oder nicht zweckentsprechender oder mutwilliger Interessenwahrnehmung einwenden.

ABGB §§  1175 ff: Die GesbR hat keine Rechtspersönlichkeit. Ihre deliktischen Schadenersatzforderungen gegen Dritte (hier: Amtshaftungsansprüche) sind Gesamthandforderungen, ein Gesellschafter kann die Forderung daher nur mit Zustimmung der anderen geltend machen.

Nach einem Gesellschafterwechsel sind die zum Zeitpunkt der Rechtsverfolgung aktuellen Gesellschafter dazu berufen. Einer Zession der Schadenersatzansprüche durch den ursprünglichen Gesellschafter an den neuen bedarf es nicht.

ABGB §§  1175 ff; VersVG §  158o: Da die GesbR keine Rechtspersönlichkeit hat, sind die einzelnen Gesellschafter Vertragspartner Dritter (hier: des Rechtsschutz-versicherers). Vertragliche Ansprüche haben daher die Gesellschafter als Gesamthandforderung geltend zu machen; ein Gesellschafter bedarf der Zustimmung der jeweils anderen.

Ein Gesellschafterwechsel nach Vertragsabschluss wirkt dem Dritten gegenüber nach allgemeinem Schuldrecht nur mit dessen Einverständnis. Es ist aber die Spezialregel des §  158o VersVG zu beachten, wonach bei Veräußerung von Unternehmen Rechtsschutzversicherungsverträge kraft Gesetzes auf den Erwerber übergehen. Bei Übertragung von Anteilen an einer GesbR gilt dasselbe.

OGH 30.3.2011, 7 Ob 130/10h

Thema: Vorvertragliche Anzeigeobliegenheiten; Anforderungen an Versicherungsnehmer; fehlerhafte Anzeige; Wissenszurechnung Vermittlungsagent

VersVG §§  16 ff: Der Versicherungsnehmer hat bei Antragstellung alle für den Entschluss des Versicherers erheblichen Umstände anzuzeigen. Was erfragt wird, gilt als erheblich. An die Sorgfalt des Versicherungsnehmers sind dabei, vor allem bei nur ihm erkennbaren Individualtatsachen, ganz erhebliche Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung).

Für eine schuldhafte Verletzung genügt schon leichte Fahrlässigkeit. Verschulden liegt auch vor, wenn der Versicherungsnehmer das vom Agenten mangelhaft ausgefüllte Antragsformular ohne Überprüfung unterfertigt. Die Beweislast für mangelndes Verschulden trifft den Versicherungsnehmer (ständige Rechtsprechung).

Leistungspflicht des Versicherers trotz verschuldeter Anzeigeobliegenheitsverletzung besteht nur, wenn der Versicherungsnehmer jede mögliche Mitwirkung des mangelhaft angezeigten Umstands in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalls und auf die Höhe der Entschädigung ausschließen kann – Kausalitätsgegenbeweis (ständige Rechtsprechung).

Eindeutig unrichtige Angaben, wenn die Frage nach einer Strahlentherapie wahrheitswidrig mit „nein“ beantwortet wird und auch die Frage nach einer Erkrankung der Geschlechtsorgane verneint wird, obwohl der Versicherungsnehmerin  krebsbedingt die Gebärmutter entfernt worden war. Dass diese Operation gut verlaufen war, für die Versicherungsnehmerin gute Heilungschancen bestanden und sie sich seit der Operation in gutem Gesundheitszustand befunden hatte, ändert daran nichts.

VersVG §  44: Auch bei Tätigwerden eines Vermittlungsagenten ist dem Versicherer jene Kenntnis zuzurechnen, die der Agent anlässlich der Entgegennahme des Antrags erlangte.

OGH 28.9.2011, 7 Ob 164/11k

Thema: Eigenheimversicherung; Wasserschaden durch im Sturm beschädigten Plastik-Pool nicht gedeckt

AStB 1995 Art 1: Sturmschäden sind nur gedeckt, wenn der Schaden auf unmittelbarer Einwirkung des Sturms beruht. Hier liegt das nicht vor (Beschädigung der Plastik-Haut eines im Garten aufgestellten Pools durch herumfliegende Äste, Wasser aus dem Pool fließt durch gekipptes Kellerfenster ins Haus). Ferner auch keine Deckung, weil das Wasser nicht durch zerstörte Hausteile in das Haus floss.

Besondere Bedingungen Erweiterter Elementargefahrenschutz Pkt 12 Schäden durch Überschwemmung, Oberflächenwasser: Gedeckt sind nur Schäden, die Folgen von Witterungsniederschlägen sind.

OGH 31.8.2011, 7 Ob 110/11v

Thema: Eigenheimversicherung; Allmählichkeitsschäden; Frostschäden

Zuhause & Glücklich-Eigenheimversicherung Art 3: Ein Allmählichkeitsschaden entsteht durch längeres Vorhandensein einer Ursache in etwa gleichbleibendem Umfang. Der Schaden entsteht nicht durch eine einmalige kurze Einwirkung, sondern durch ständiges Einwirken. Der Schaden ist das Ergebnis eines kontinuierlichen, schleichenden Prozesses. Dafür gibt es keine fixen Grenzen, entscheidend ist, ob die Einwirkung typischerweise größere Aufklärungsschwierigkeiten mit sich bringt.

Der Zweck der Allmählichkeitsklausel ist der Ausschluss von Gefahrenlagen, deren Eintritt, Ablauf und Folgen meist unberechenbar sind.

Versicherte Frostschäden, die durch das Gefrieren von eingedrungenem Wasser unter mangelhaft verfugte Bodenplatten entstehen, fallen nicht unter den Ausschluss, weil die Schadensursache ohne weiteres zu erheben ist.

OGH 31.8.2011, 7 Ob 139/11h

Thema: Eigenheimversicherung; keine grobe Fahrlässigkeit bei Verlegung von Rohren gegen ÖNORM; Frostschaden innerhalb eines Gebäudes 

ABEV 2004 Art 2.3.2.: Versichert sind Frostschäden an Zu- und Ableitungsrohren „innerhalb der versicherten Gebäude“. Letzteres liegt auch vor, wenn die Rohre einen unterkellerten Durchgang zwischen versichertem Haupt- und versichertem Nebengebäude queren.

VersVG §  61: Die Übertretung einer Schutznorm begründet allein noch keine grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn der Versicherungsnehmer einfachste, naheliegende Überlegungen nicht anstellt und Maßnahmen, die jedermann einleuchten müssen, nicht ergreift, sich also gleichgültig zeigt.

Die Jahre zurückliegende Verlegung von mehrfach isolierten Rohren in 0,8 bis 1 m Tiefe entspricht nicht der ÖNORM, die 1,20 m Tiefe verlangt, begründet aber dennoch nach den Umständen des Einzelfalls keine grobe Fahrlässigkeit. Der Versicherungsnehmer war nicht auffallend sorglos, sondern hatte nur nicht erkannt, dass seine Isolationsmaßnahmen nicht ausreichten.

OGH 6.7.2011, 7 Ob 114/11g

Thema: Kfz-Haftpflichtversicherung; „Führerscheinklausel“ auch bei Verwendung auf nicht öffentlichem Grund; L17-Berechtigung kein Führerschein

KHVG § 5 Abs 1 Z 4; AKHB 1995 Art 9.2.1.: Die „Führerschein-Klausel“ gilt auch bei Verwendung des Kfz auf nicht öffentlichem Grund. Das Risiko eines Bedienungs- oder Fahrfehlers ist bei Lenkern ohne Führerschein gesteigert, unabhängig davon, auf welchem Grund sie sich bewegen. Ob eine Verwaltungsübertretung vorliegt oder nicht, ist unmaßgeblich.

Eine „L17-Lenkerberechtigung“ ist kein „Führerschein“, sie umfasst nur Ausbildungsfahrten in Begleitung, nicht aber – wie hier – die Fahrt auf einen Bremsprüfstand in einer Kfz-Werkstätte.

KHVG §  2 Abs 1; EKHG §  1: Der Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ im KHVG ist noch weiter zu verstehen als jener des „Betriebs“ nach EKHG.

OGH 29.6.2011, 7 Ob 43/11s

Thema: Rechtsschutzversicherung; einheitlicher Versicherungsfall 

ARB 1988 Art 6.7.2; ARB 1994 Art 6.7.2.: Für die Leistungsobergrenze bei mehreren Versicherungsfällen, die einen ursächlich zusammenhängenden einheitlichen Vorgang darstellen, ist nicht entscheidend, ob ein zeitlicher oder ursächlicher Zusammenhang zwischen den zu führenden Prozessen besteht.

Die Zusammenfassung mehrerer Versicherungsfälle zu einem einheitlichen „Leistungsfall“ ist gerechtfertigt, wenn die Versicherungsfälle einem Geschehensablauf entspringen, der nach der Verkehrsauffassung als einheitlicher Lebensvorgang aufzufassen ist.

Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei einzelnen schädigenden Verhalten jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß.

War schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern ein einheitlicher Verstoß vor. Dies kann sowohl bei Vorsatz der Fall sein, wobei der Wille des Handelnden von vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden.

OGH 16.6. 2011, 7 Ob 22/11b

Thema: Restschuldversicherung; Wartezeit; Vorerkrankungen; Kausalität; Beweislast

RSV §  2 Z 8: Steht die Todesursache des Versicherten innerhalb der ersten 24 Monate nach Beginn des Versicherungsschutzes in keinem erweislichen Kausalzusammenhang mit ernstlichen Vorerkrankungen, so ist der Versicherer leistungspflichtig. Da es sich um einen Ausschlusstatbestand handelt, hat der Versicherer  das Vorliegen der den Ausschluss bildenden Umstände zu beweisen.

OGH 16.6.2011, 7 Ob 44/11p

Thema: Fondsgebundene Lebensversicherung; ordentliche Kündigung durch Versicherer

VersVG §  8 Abs 2: Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die auf unbestimmte Zeit abgeschlossen wird, steht dem Versicherer kein ordentliches Kündigungsrecht gemäß §  8 Abs 2 VersVG zu. Er kann den Vertrag nur außerordentlich kündigen, etwa, wenn sich der Versicherungsnehmer eine Leistung erschleicht oder zu erschleichen versucht.

OGH 29.6.2011, 7 Ob 251/10b

Thema: Lebensversicherung; prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge; Kündigung vor Ablauf der Zehnjahresfrist

VersVG §  165 Abs 1, §  178 Abs 1;  §  108g Abs 1 Z 2; §  108i Abs 1 EStG: Die Normen des EStG verdrängen materiell die Kündigungsregeln des VersVG. Die ordentliche Kündigung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge durch den Versicherungsnehmer ist daher vor Ablauf der Zehnjahresfrist ausgeschlossen, sie steht auch nicht zu, wenn der Versicherungsnehmer Prämienrückzahlung oder Nachversteuerung in Kauf nimmt.

OGH 7.9.2011, 7 Ob 138/11m

Thema: Lebensversicherung; Secondhand-Polizze; Aufklärungspflichten des Vermittlers

VersVG §§  159 ff: Bei der Vermittlung von Secondhand-Polizzen wird kein neuer Versicherungsvertrag begründet, sondern es werden lediglich Ansprüche aus einem bestehenden Vertrag übertragen. Der Polizzenkäufer zahlt einen Betrag, der über dem Rückkaufswert, aber unter dem ökonomischen Wert der Polizze liegt, woraus sich für beide Seiten Vorteile ergeben.

WAG §§  11 – 18; §  75 Abs 2 VAG; MaklerG §  28: Die Wohlverhaltensregeln für Anlageberater und -vermittler gelten analog auch für Versicherungsmakler und -berater, die Versicherungen mit veranlagungsähnlichem Charakter vermitteln, wie zB fondsgebundene Lebensversicherungen und Secondhand-Polizzen.

ABGB §§  1293 ff: Die Beweislast für den Eintritt eines durch einen behaupteten Beratungsfehler entstandenen Schadens liegt beim Versicherungsnehmer. Ebenso wie die Beweislast dafür, dass der Schaden bei ordnungsgemäßer Aufklärung ausgeblieben wäre.

OGH 21.7.2011, 7 Ob 115/11k

Thema: Unfallversicherung; Auszahlung an gesetzlichen Vertreter ohne pflegschaftsgerichtliche Genehmigung; Verjährung Bereicherungsanspruch gemäß §  1041

ABGB §  149 Abs 1 lS iVm § 234; ABGB §  1041: Die Auszahlung einer € 10.000 übersteigenden Versicherungsleistung an den gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Versicherten ohne pflegschaftsgerichtliche Ermächtigung befreit den Versicherer nur soweit, als das Gezahlte noch im Vermögen des Minderjährigen vorhanden ist oder für seine Zwecke verwendet wurde. Dem Versicherer steht aber, soweit er nicht schuldbefreiend geleistet hat, gegen den gesetzlichen Vertreter ein Bereicherungsanspruch nach §  1041 zu.

ABGB §  1041, §  1479: Der Verwendungsanspruch nach §  1041 verjährt innerhalb der langen, dreißigjährigen Verjährungsfrist.

OGH 28.9.2011, 7 Ob 156/11h

Thema: Unfallversicherung; schlüssiger Verzicht auf Ärztekommission

VersVG §  11, §§  64 ff, §§  179 ff; ABGB §  863, §  1444: Der Schiedsgutachtervertrag hindert ein Gerichtsverfahren nicht, doch ist der Anspruch vor Abschluss des Schiedsgutachterverfahrens nicht fällig.

Der Versicherer verzichtet schlüssig auf die Durchführung des Verfahrens, wenn er die Leistung endgültig ablehnt. Damit wird der Entschädigungsanspruch fällig (ständige Rechtsprechung).

Der Versicherungsnehmer verzichtet schlüssig auf das Verfahren, wenn er die Leistung einklagt. Will der Versicherer in diesem Fall das Schiedsgutachterverfahren durchführen,  ist zu erwarten, dass er den Einwand, die Gutachter anrufen zu wollen, ungesäumt erhebt (ständige Rechtsprechung).

OGH 16.6.2011, 7 Ob 67/11w

Thema: Kaskoversicherung; gesetz- und sittenwidrige bzw unklare Klauseln (Schriftformklausel VN; Totalschaden-Klausel; Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzungen) 

ABGB §  864a: Die Geltungskontrolle umfasst objektiv ungewöhnliche Klauseln, denen ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Dabei hat man sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren. Eine grobe Benachteiligung ist nicht nötig.

ABGB §  879 Abs 3: Unter die „Hauptleistung“ fallen vor allem diejenigen Bestandteile eines Vertrags, die vereinbart werden müssen, damit überhaupt ein hinreichend bestimmter Vertrag zustande kommt. Es sind damit nicht alle Bestimmungen vom Geltungsbereich des §  879 Abs 3 ausgenommen, die die Leistung und das Entgelt betreffen.  Der Inhaltskontrolle unterliegen Bestimmungen, die die Preisberechnung in allgemeiner Form regeln oder die vertragstypische Leistung generell näher umschreiben. Gröbliche Benachteiligung, wenn es für die Abweichung vom dispositiven Recht keine sachliche Rechtfertigung gibt.

  • 6 Abs 3 KSchG: Zum Transparenzgebot, das eine durchschaubare Formulierung von AGB klarstellen soll. Maßstab ist das Verständnis des „Durchschnittskunden“.

ABGB §  914; KSchG §  28: Auslegung bei Verbandsklagen im „kundenfeindlichsten Sinn“.

AKKB 2008 Art 17 Pkt 2.3.; ABGB §  879 Abs 3; KSchG §  6 Abs 1 Z 4, §  6 Abs 3; VersVG §  8 Abs 2: Eine Klausel, die alle Erklärungen und Mitteilungen des VN der Schriftform unterwirft, ist sachlich gerechtfertigt und daher nicht gröblich benachteiligend gem §  879 Abs 3 ABGB. Das Versicherungsgeschäft als Massengeschäft deckt das Interesse des Versicherers an Schriftform, um Missverständnisse und Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Die Schriftformklausel ist auch nicht unklar iSd §  6 Abs 3 KSchG, weil darin eine Belehrung über die Zurückweisungspflicht des Versicherers fehlt.  Die Klausel verstößt auch nicht gegen § 6 Abs 1 Z 4 KSchG, der nur eine strengere Form als Schriftform verbietet. Lediglich von Gesetzes wegen formfreie Kündigungserklärungen wie die ordentliche Kündigung eines unbefristeten Vertrags dürfen nicht der Schriftform unterworfen werden, weil die Formlosigkeit relativ zwingend ist.

AKKB 8 Art 7 Abs 3; KSchG §  6 Abs 3: Der Verweis auf §  6 Abs 3 VersVG im Katalog der vertraglichen sekundären Obliegenheiten ist nicht ausreichend transparent, wenn sich der Text des §  6 Abs 3 VersVG lediglich in einem Anhang zu den AVB befindet. Dem Versicherungsnehmer wird nicht ausreichend deutlich, dass eine Obliegenheitsverletzung nicht in jedem Fall, sondern nur unter den Voraussetzungen des §  6 Abs 3 VersVG zur Leistungsfreiheit führt.

AKKB 2008 Art 5 Abs 1; §  ABGB §  864a, §  879 Abs 3; KSchG §  6 Abs 3; VersVG § 52: Die „Totalschadenklausel“ ist branchenüblich und daher nicht ungewöhnlich iSd §  864a ABGB.

Sie ist auch nicht gesetzwidrig oder gröblich benachteiligend. §  52 VersVG lässt zu, dass der Versicherer den Versicherungswert anders definiert als im Schadenersatzrecht. Die den Wrackwert berücksichtigende Einschränkung der Versicherungsleistung ist sachgerecht, da sie es dem VN rechnerisch ermöglicht, ein entsprechendes Fahrzeug zu erwerben.

Die „Totalschadenklausel“ ist ausreichend deutlich, der VN kann den Begriff „Restwert“ unschwer mit dem „Wrackwert“ gleichsetzen.

OGH 21.12.2011, 7 Ob 216/11g

Thema: Gebäudeversicherung zum Neuwert; Aufklärungsfehler Agent; Sicherung der Wiederherstellung

ABGB §  1313a: Die Belehrungspflicht des Versicherers und seiner Agenten darf nicht überspannt werden. Der Versicherungsagent muss nicht prüfen, ob die AVB das erkennbare Versicherungsbedürfnis des VN voll abdeckt. Wohl aber muss er den VN aufklären, wenn dieser aufklärungsbedürftige Punkte bezeichnet und erkennbar eine unrichtige Vorstellung vom Deckungsumfang hegt. Es liegt eine Verletzung der Aufklärungspflichten in contrahendo vor, wenn der Irrtum des VN durch eine nicht zutreffende Belehrung des Agenten hervorgerufen bzw bekräftigt wurde. Dafür haftet der Versicherer gem §  1313a ABGB (hier: Versicherung zum Neuwert, obwohl zu niedriger Zeitwert).

VersVG §§  97 f: Eine strenge Wiederherstellungsklausel schiebt die Fälligkeit der Entschädigung bis zur Sicherung der Wiederherstellung hinaus. 100%ige Sicherheit ist nicht zu erlangen, jedoch darf kein vernünftiger Zweifel an der Wiederherstellung bestehen. Die Vorlage von Kostenvoranschlägen, Absichtserklärungen des VN, noch nicht angenommene Angebote, bloße Bauplanung oder behelfsmäßige Reparatur reichen zur Sicherung nicht aus.

OGH 21.12.2011, 7 Ob 190/11h

Thema: Haushaltsversicherung; Einbruch; Obliegenheit zur Aufklärung nach Versicherungsfall; leichte Fahrlässigkeit 

ABS Art 12; VersVG §  6 Abs 3: Nach den Umständen des Einzelfalls nur leicht fahrlässiges Verhalten des VN. Er hatte fälschlicherweise im Eigentum seiner Tochter stehende Sachen, die sich nach deren kurz vor dem Einbruch stattgehabten Auszug noch in der Wohnung befanden, zunächst für mitversichert gehalten und die Liste der gestohlenen Gegenstände sofort nach Aufklärung seines Irrtums richtig gestellt.

OGH 30.11.2011, 7 Ob 200/11d

Thema: Kfz-Haftpflichtversicherung; Betriebshaftpflichtversicherung; Doppelversicherung

AKHB 2001 Art 1, Art 2, Art 3; AHVB 2003 Art 7 Z 5.3.; AHVB Zusatzklausel „Arbeitsmaschinen“; VersVG §  59 Abs 1: Doppelversicherung liegt vor, wenn dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr bei zwei Versicherern versichert ist und entweder die Versicherungssummen insgesamt den Versicherungswert übersteigen (Aktivenversicherung) oder die Summe der von den Versicherern zu zahlenden Entschädigungen aus anderen Gründen den Gesamtschaden übersteigen.  Doppelversicherung auch, wenn in zwei Verträgen mehrere einander überschneidende Gefahrenkombinationen erfasst sind und die konkrete Gefahr, die zum Versicherungsfall führt, in beiden Verträgen versichert ist. Hier: Doppelversicherung Kfz-Haftpflicht- und Betriebshaftpflichtversicherung für Unfall beim Aufladen eines Baggers auf einen Tieflader.

VersVG §  59 Abs 2 S 1: Der interne Ausgleich zwischen den mehreren Versicherern bemisst sich aus der Differenz der vom Versicherer erbrachten Leistung und dem von ihm zu tragenden Anteil.

OGH 21.12.2011, 7 Ob 223/11m

Thema: Kfz-Haftpflichtversicherung; Grüne Karte; Aktivlegitimation zur Klage gegen Versicherungsverband

KFG §  62 Abs 1; KHVG §  26; VersVG §  67: § 62 Abs 1 KFG muss im Sinn des Erwägungsgrundes 27 der 4. KH-RL (nunmehr Art 28 Abs 1 der Richtlinie 2009/103/EG) ausgelegt werden. Demnach sind juristische Personen (wie zB andere Versicherungsunternehmen) nicht berechtigt, auf sie übergegangene Ansprüche des Geschädigten gegen den Unfallverursacher oder dessen Versicherungsunternehmen gegenüber der Entschädigungsstelle geltend zu machen. Nur das unmittelbar geschädigte Unfallopfer ist aktivlegitimiert.

OGH 28.9.2011, 7 Ob 48/11a

Thema: Rechtsschutzversicherung; Kostenersatz RA im Verfahren gegen Sozialversicherungsträger

ABGB §  1004, §  1152; RAT §  9 Abs 1, §  14 lit a; ASGG §  77 Abs 2; ARB 2003 Art 6 Pkt 6.1: Bei wiederkehrenden Sozialleistungen richtet sich nicht nur der Kostenersatzanspruch des Versicherten gegenüber dem Sozialversicherungsträger, sondern auch der gesetzliche Tarifanspruch des vertretenden Rechtsanwalts nach dem derzeit geltenden Betrag von € 3.600,-. §  77 Abs 2 ASGG ist seinem Normzweck nach analog anzuwenden

Die vom Rechtsschutzversicherer gemäß Art 6.6.1. ARB 2003 zu zahlenden angemessenen Kosten des für den Versicherungsnehmer in einer Sozialrechtssache auf wiederkehrende Leistungen (hier: Invaliditätspension) tätigen Rechtsanwalts berechnen sich auf der gesetzlichen Bemessungsgrundlage gemäß § 77 Abs 2 ASGG.

OGH 28.9.2011, 7 Ob 162/11s

Thema: Lebensversicherung; prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge; Kündigung vor Ablauf der Zehnjahresfrist

VersVG §  165 Abs 1, §  178 Abs 1; EStG §  108g Abs 1 Z 2; §  108i Abs 1: Die Normen des EStG verdrängen materiell die Kündigungsregeln des VersVG. Die ordentliche Kündigung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge durch den Versicherungsnehmer ist daher vor Ablauf der Zehnjahresfrist ausgeschlossen, sie steht auch nicht zu, wenn der Versicherungsnehmer Prämienrückzahlung oder Nachversteuerung in Kauf nimmt.

OGH 30.11.2011, 7 Ob 224/11m (vgl dazu auch OGH 7 Ob 138/11m, OGH aktuell 2011/5)

Thema: Unfallversicherung; „vollständige Arbeitsunfähigkeit“; Taggeld

UVB Klipp und Klar-Bedingungen Fassung I/2005 Art 10; ABGB §  914: Die Auslegung der „vollständigen Arbeitsunfähigkeit“ als Anspruchsvoraussetzung für die Leistung eines Taggelds in den Unfallversicherungsbedingungen entspricht nicht den Bestimmungen des ASVG. „Vollständige Arbeitsunfähigkeit“ heißt, dass der Versicherungsnehmer infolge eines Unfalls außerstande war, irgendeinen Teil seiner beruflichen Tätigkeit zu verrichten.

Die Beweislast für vollständige Arbeitsunfähigkeit liegt beim Versicherungsnehmer.

OGH 30.11.2011, 7 Ob 208/11f (vgl dazu auch OGH 7 Ob 82/11a, OGH aktuell 2011/4)

Thema: Unfallversicherung; Beweislast „Unfall“

VersVG §§  179 ff, §  181: Der VN trägt die Beweislast für das Vorliegen eines Unfalls. Dazu reicht es in der Regel aus, wenn er Umstände dartut, die die Möglichkeit eines Unfalls nahelegen. Der Versicherer hat Umstände zu beweisen, die gegen das Vorliegen eines deckungspflichtigen Unfalls sprechen, etwa auch, dass ein vorgetäuschter Unfall vorliegt. Dagegen hat der VN wiederum Tatsachen zu beweisen, die für die Unfreiwilligkeit seiner Verletzung sprechen.

OGH 30.11.2011, 7 Ob 195/11v; OGH 30.11.2011, 7 Ob 197/11p; OGH 12.10.2011, 7 Ob 187/11t  (Entscheidung gleichlautend, gleiches Klagebegehren, gleiches Vorbringen des VN gegen drei Versicherer)

Thema: Unfallversicherung; Ausschluss Narbenbruch

AUVB 1997 Art 6; Art 19 Z 6; ABGB §  864a, §  879 Abs 3, §  914, §  915; KSchG §  6 Abs 3: Der Ausschluss für „Bauch- und Unterleibsbrüche jeder Art“ hält §  864a und § 179 Abs 3 ABGB stand und ist auch nicht unklar oder mehrdeutig gem §  915 ABGB.

Deckung für Unterleibsbrüche jeder Art besteht nur, wenn die Verletzung durch einen Unfall herbeigeführt wurde und (kumulativ) nicht anlagebedingt war. „Anlagebedingt“ sind  nicht nur angeborene, sondern auch erst später entstandene Gewebeschwächen (hier: Operationsnarbe).

OGH 12.10.2011, 7 Ob 181/11m

Thema: Unfallversicherung; Bandscheibenvorfall

ABGB §  914; VersVG §§  179 ff; AUVB 1999 Art 18 Z 5: Unter „Krankheitserscheinungen“ versteht der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer auch degenerative Veränderungen der Bandscheiben, die über das altersbedingte Ausmaß hinausgehen. Es kommt nicht darauf an, ob der Versicherungsnehmer von der Krankheit wusste und nicht darauf, ob er sie als behandlungsbedürftig angesehen hat.

ABGB §  864a; AUVB 1999 Art 18 Z 5: Vom Standpunkt der Geltungskontrolle aus bestehen gegen Art 18 Z 5 AUVB 1999 keine Bedenken.

OGH 28.9.2011, 7 Ob 150/11a

Thema: Kreditversicherung; Versicherungsfall; Beweis; zeitlicher Deckungsbereich

AVB-GAW §  4 Z 3, §  9 Z 1 lit e, §  9 Z 2: Zeitpunkt des Versicherungsfalls ist der Tag, an dem aufgrund Beweismaterials die Aussichtslosigkeit der Bezahlung anzunehmen ist. Das Beweismaterial muss an diesem Tag vorhanden sein.

OGH 21.12.2011,  7 Ob 240/11m

Thema: Aufklärungspflichten des Versicherers in contrahendo (lat. „Vertragsabschluss); ausnahmsweise Aufklärungspflichten des Versicherers während des laufenden Vertrags bei neu entstehendem Schutzbedarf einer Gruppe Versicherter

ABGB §§  1293ff, 1313a; VersVG §  43, 44: Kein Versicherungsnehmer darf erwarten, dass jedes erdenkliche Risiko vom Vertrag erfasst wird. In diesem Rahmen besteht keine vorvertragliche Aufklärungspflicht und daher auch keine nachfolgende Informationspflicht während des laufenden Vertrags.

Der Versicherer muss allerdings Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer vor bzw bei Vertragsabschluss über den Deckungsumfang äußert, richtigstellen. Es besteht somit eine Aufklärungspflicht des Versicherers über einen Risikoausschluss, wenn erkennbar ist, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebt. Umso eher liegt ein pflichtwidriges Verhalten vor, wenn der Versicherungsnehmer in seinen irrigen Vorstellungen über den Inhalt des Versicherungsproduktes noch bestärkt wird.

Zwar besteht keine allgemeine laufende Betreuungspflicht des Versicherers während des laufenden Vertrags. Ausnahmsweise kann aber eine Beratungs- und Warnpflicht des Versicherers als vertragliche Nebenpflicht während eines laufenden

Versicherungsverhältnisses auch ohne  Zusammenhang mit einer Vertragskonvertierung entstehen (hier:  neue Rechtsprechung führt zu existenzbedrohenden Risiken für eine gesamte Berufsgruppe, der der Versicherte nach Kenntnis des Versicherers angehört).

OGH 31.8.2011, 7 Ob 72/11f

Thema: Inbegriffs-Versicherung; Doppelversicherung; Unterversicherung; Versicherung auf erstes Risiko; Änderung der Rechtsprechung zum Verhältnis Doppel- und Unterversicherung

VersVG §  54, 55, 56,  59 Abs 1: Doppelversicherung liegt gem §  59 Abs 1 VersVG vor, wenn dasselbe Interesse bei zwei Versicherern versichert ist und entweder die Summe der Versicherungssummen den Versicherungswert übersteigt (erste Alternative) oder die Summe der von den Versicherern zu zahlenden Entschädigung aus anderen Gründen den Gesamtschaden übersteigt (zweite Alternative).

Eine Doppelversicherung liegt auch vor, wenn eine Einzel- und eine Inbegriffsversicherung oder zwei Inbegriffsversicherungen zusammentreffen, die dasselbe Interesse decken und auch dann, wenn die einzelnen Verträge mehrere Gefahrenkombinationen erfassen und die Gefahr, die den Versicherungsfall ausgelöst hat, in diesen Verträgen gedeckt ist.

Bei einer Versicherung auf erstes Risiko ist der Unterversicherungseinwand und damit die Anwendung des §  56 VersVG (proportionale Kürzung der Entschädigung) ausgeschlossen.

Unter die zweite Alternative des §  59 Abs 1 fällt das Zusammentreffen mehrerer Haftpflichtversicherungen, aber auch das Zusammentreffen zweier Versicherungen auf erstes Risiko und das Zusammentreffen einer Versicherung auf erstes Risiko mit einer „normalen“ Versicherung.

Bei Zusammentreffen von Doppel- und Unterversicherung ist jeder Vertrag isoliert zu betrachten, der „Unterversicherer“ kann also seine Leistung an den VN proportional kürzen (§  56). Der OGH geht damit von seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl E vom 29.04.2002, 7 Ob 67/02g), wonach die Unterversicherung in diesem Fall gegenüber dem Versicherungsnehmer nicht einzuwenden, sondern erst im Regress zwischen den Versicherern zu berücksichtigen sei, ab.

OGH 27.2.2012, 7 Ob 9/12t

Thema: Rechtsschutzversicherung; keine paritätische Kündigung durch VN im Schadensfall

ABGB § 7; VersVG §§ 158j ff; §§ 96, 108 Abs 1, § 113, 115a ,158, 158a; ARB 2004: Zu einer Betriebsunterbrechungsversicherung hat der OGH ausgesprochen, dass das gesetzlich für einzelne Sparten der Sach- und in der Haftpflichtversicherung vorgesehene paritätische Kündigungsrecht im Schadensfall per analogiam auf alle Sparten der Sachversicherung zu erstrecken ist.

Bei der Rechtsschutzversicherung handelt es sich nicht um eine Sachversicherung.

Das Kündigungsrecht im Schadensfall ist in der Rechtsschutzversicherung mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht analog anzuwenden.

OGH 27.2.2012, 7 Ob 212/11v

Thema: Rechtsschutzversicherung; keine paritätische Kündigung durch VN im Schadensfall; offengelassen, ob in AVB zu Lasten des VN ungleich geregeltes Schadensfallkündigungsrecht gröblich benachteiligend

ABGB § 7, 879 Abs 3; VersVG §§ 158j ff; §§ 96, 108 Abs 1, § 113, 115a ,158, 158a; ARB 2002 Art 15 Z 3.1, Art 15 Z 3.2: Die Rechtsschutzversicherung ist keine Sachversicherung.

Das in der Sach- und Haftpflichtversicherung vorgesehene paritätische Kündigungsrecht im Schadensfall ist in der Rechtsschutzversicherung mangels planwidriger Gesetzeslücke nicht analog anzuwenden.

Ob die in den ARB 2002 vorgesehene Kündigungsmöglichkeit für den Rechtsschutzversicherer wegen überdurchschnittlicher oder ungerechtfertigter Inanspruchnahme gem §  879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend ist, weil dem VN nichts dergleichen  zusteht, kann hier offenbleiben. Selbst wenn dies zuträfe, entfiele zwar dieses Kündigungsrecht des Versicherers, doch führte es nicht zur Begründung eines Schadensfallkündigungsrecht des VN.

OGH 27.2.2012, 7 Ob 215/11k

Thema: Rechtsschutzversicherung; Selbstbehalt

Amtshaftung; Verschulden des Organs bei Annahme einer unvertretbaren Rechtsansicht

AHG §  1 Abs 1; VersVG §  158k: Amtshaftung für ein rechtswidriges Verhalten eines Organs greift nur bei Verschulden. Dies liegt bei einem Richter nur dann vor, wenn von einer klaren Rechtslage oder der ständigen OGH-Judikatur abgewichen wird, ohne sich sorgfältig und überlegt damit auseinanderzusetzen. Eine Abweichung von der ständigen Judikatur ist nicht unvertretbar und schuldhaft, wenn der Richter Argumente anführt, die er für stärker halten darf als die des Höchstgerichts.

Zur Frage, wie weit in der Rechtsschutzversicherung Selbstbehalte vereinbart werden können, existiert nur eine einzige OGH-Entscheidung. Auf diese und einschlägige abweichende Lehrmeinungen ist der Richter eingegangen. Die Rechtslage ist ferner keineswegs klar, weil §  158k zur Zulässigkeit von Selbstbehalten nichts sagt.

OGH 23.3.2012, 1 Ob 30/12m

Thema: Rechtsschutzversicherung; Kostenersatz RA im Verfahren gegen Sozialversicherungs-träger

ABGB §  1004, §  1152; RATG §  4; ASGG §  77 Abs 2; ARB 2004 Art 6 Pkt 6.1: Bei wiederkehrenden Sozialleistungen (hier: Berufsunfähigkeitspension) richtet sich nicht nur der Kostenersatzanspruch des Versicherten gegenüber dem Sozialversicherungsträger, sondern auch der gesetzliche Tarifanspruch des vertretenden Rechtsanwalts nach dem derzeit geltenden Betrag von € 3.600,-. Der Rechtsschutzversicherer hat lediglich diesen Betrag zu ersetzen. §  77 Abs 2 ASGG ist seinem Normzweck nach analog anzuwenden.

OGH 25.1.2012, 7 Ob 245/11x   Vgl schon gleichlautend OGH 28.9.2011, 7 Ob 162/11s

Thema: Rechtsschutzversicherung; Obliegenheit Warten auf Ausgang eines Verfahrens

AHG §§ 1ff; ARB 2003 Art 19.2.1.: Amtshaftungsansprüche zählen zu den „Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts“ und werden daher vom umfasst.

ARB 2003 Art 19.3.1.2.: Der Risikoausschluss im Bezug auf die Geltendmachung von „Schadenersatzansprüchen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne des §  51 ASGG“ umfasst nicht Amtshaftungsklagen des Versicherten gegen seinen Dienstgeber (Republik Österreich).

ARB 2003 Art 2: Im Schadenersatzrechtsschutz ist Versicherungsfall das Schadensereignis (hier: Vorzeitige Pensionierung des Versicherten).

ASVG §  333: Das Arbeitsgeberprivileg gem §  333 ASVG ist auf Beamte nicht anzuwenden.

OGH 30.11.2011, 7 Ob 202/11y

Thema: Unfallversicherung; schlüssiger Verzicht auf Ärztekommission

ABGB §  863; AUVB 2004 Art 16: Zu den Anforderungen an einen schlüssigen Verzicht durch Versicherungsnehmer und/oder Versicherer auf die Anrufung der Ärztekommission. Ob ein solcher Verzicht vorliegt, ist immer Frage des Einzelfalls (ständige Rechtsprechung).

Erhebt der Versicherer, der noch vor Ablauf der Sechsmonatsfrist geklagt wird, nicht ungesäumt den Einwand, er wolle die Ärztekommission anrufen, so verzichtet er schlüssig darauf (Ständige Rechtsprechung).

Hier: Überweisung eines Teils des vom Versicherungsnehmer beanspruchten Betrags auf dessen Konto ohne Andeutung, dass in der Sache noch etwas offen sei; danach Antrag des Versicherungsnehmers auf Einsetzung der Ärztekommission, worauf der Versicherer nicht reagierte; hierauf Schreiben des Versicherungsnehmers, wonach sein Anspruch fällig sei; abermals keine Reaktion des Versicherers. Der Versicherungsnehmer brachte durch sein Verhalten schlüssig zum Ausdruck, er verzichte mangels Mitwirkung des Versicherers auf die Anrufung der Kommission, der Versicherer brachte durch sein Verhalten schlüssig zum Ausdruck, dass er damit einverstanden sei.

OGH 27.2.2012, 7 Ob 204/11t

Thema: Unfallversicherung; Mitwirkung von Vorerkrankungen und Gebrechen

VersVG §§ 179 ff; AUVB Art 7; Art 23 Z 3: Der „Vorzustand“ des Versicherten ist dann zu berücksichtigen, wenn bereits vorhandene Krankheiten oder Gebrechen die Unfallfolgen beeinflussen. Auf die Kenntnis des Versicherers vom Vorzustand kommt es nicht an.

Der Versicherungsnehmer hat die Kausalität zwischen Unfall und Unfallfolge zu beweisen, der Versicherer die Vorerkrankungen und deren Ausmaß.

OGH 27.2.2012, 7 Ob 192/11b

Thema: Pflichthaftpflichtversicherung; Verjährungsbeginn des fingierten Anspruchs des geschädigten Dritten

VersVG §  12 Abs 1, §  158c Abs 1, Abs 3: Analoge Anwendung des §  158c Abs 1 VersVG auf die Verjährungseinrede im Rahmen der obligatorischen Mindestpflichtversicherungssumme. Die Verjährung des nach § 158c Abs 1 VersVG zum Schutz des Dritten fingierten Deckungsanspruchs tritt im Regelfall erst nach Pfändung und Überweisung der fingierten Haftpflichtversicherungsforderung ein und richtet sich nach § 12 Abs 1 VersVG. Ab diesem Zeitpunkt ist der Geschädigte selbständig anspruchsberechtigter Versicherter und damit Dritter im Sinn des § 12 Abs 1 zweiter Satz VersVG.

OGH 6.7.2011, 7 Ob 108/11z

Thema: Vertragsabschluss; Form

ABGB §  883; Anträge auf Abschluss eines Versicherungsvertrags sind formfrei. Von vertraglichen Formklauseln können die Parteien einvernehmlich und auch schlüssig abgehen, sofern nicht auch dafür Schriftform vorgesehen ist.

OGH 25.4. 2012, 7 Ob 54/12k

Thema: Vertragsabschluss, Einbeziehung AVB 

ABGB §  863, § 914: AVB werden Vertragsbestandteil, wenn sie vertraglich vereinbart worden sind.  Das geschieht, indem dem VN deutlich erkennbar wird, dass der Versicherer nur zu seinen AVB kontrahieren will und zumindest ein Hinweis auf die speziellen AVB in den Vertragsunterlagen deutlich aufscheint. Der VN muss die Möglichkeit haben, die AVB zu erhalten bzw deren Inhalt zu erfahren.

Die vertragliche Unterwerfung unter AVB als Fall von AGB kann auch stillschweigend geschehen. Es muss dem VN lediglich unzweifelhaft klar sein, dass der Versicherer nur unter seinen AVB abschließen will; genaue Kenntnis des Inhalts der AVB ist nicht erforderlich.

Die Anführung der Bezeichnung der AVB auf dem vom Kunden unterzeichneten Antragsformular reicht unter diesen Voraussetzungen für eine wirksame Vereinbarung aus, ohne dass es auf die Aushändigung der AVB an den VN ankäme.

OGH  25.4.2012, 7 Ob 51/12v

Thema: Agent; Kenntniszurechnung; Haftung des Versicherers

VersVG §  44: Auch bei Tätigwerden eines Vermittlungsagenten ist dem Versicherer jene Kenntnis zuzurechnen, die der Agent anlässlich der Entgegennahme des Antrags erlangte.

ABGB §§ 1293 ff; §  1313a: Die Aufklärungspflichten des Versicherers/Agenten in contrahendo dürfen nicht überspannt werden. Eine Aufklärungspflicht besteht jedoch dort, wo der Agent offensichtliche Irrtümer des VN nicht aufklärt oder gar noch verstärkt.

Erfüllungsgehilfenhaftung des Versicherers für seinen Agenten, der nicht darauf hinweist, dass ein beim VN vorhandenes Behältnis für Schlüssel die Anforderungen an einen „Schlüssel-Tresor“ gemäß AVB nicht erfüllt.

OGH 28.3.2012, 7 Ob 100/11y

Thema: Obliegenheiten nach Versicherungsfall; Aufklärung

VersVG §  6 Abs 3: Die Aufklärungspflicht nach Versicherungsfall dient dem Interesse des Versicherers an allen Umständen, die für Grund und Höhe seiner Leistungspflicht maßgeblich sind; es soll verhindert werden, dass der Versicherer zu Unrecht in Anspruch genommen wird. Eine in wesentlichen Punkten unrichtige Darstellung des Sachverhalts ist Aufklärungsobliegenheitsverletzung.

Der Versicherer kann alle für seine Leistungspflicht bedeutsamen Auskünfte verlangen. Dass er sie sich auch auf andere Weise verschaffen könnte, ist für einen Verstoß ohne Belang.

OGH 19.4.2012, 7 Ob 34/12v

Thema: Eintritt des Versicherungsfalles; Beweismaß

ZPO §  266, §  272: Bei großen Beweisschwierigkeiten können dem VN Beweiserleichterungen für den von ihm nachzuweisenden Eintritt des Versicherungsfalls zugestanden werden. So kann der Nachweis der überwiegenden Wahrscheinlichkeit genügen. Für den Beweis eines Kfz-Diebstahls etwa reicht es, wenn der VN ein Mindestmaß an Tatsachen beweist, die das äußere Erscheinungsbild des Versicherungsfalls bilden, der Versicherer kann Umstände beweisen, die dagegen sprechen. Der bloße Anschein eines Diebstahls ist schon dann widerlegt, wenn andere Umstände ernsthaft für die Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs sprechen.

OGH 30.5.2012 7 Ob 183/11d

Thema: Versicherung für fremde Rechnung 

VersVG §§ 74ff; ABGB §  234: Versicherung für fremde Rechnung (hier: Mitversicherung des Sohnes des VN) kommt auch ohne Einwilligung und ohne Kenntnis des Versicherten durch die Versicherung fremden Interesses zustande. Der Versicherte muss nicht namentlich genannt sein.

Inhaber der Ansprüche und materiell berechtigt ist der Versicherte. Vertragspartner des Versicherers und über die Forderung im eigenen Namen formell verfügungsberechtigt ist aber der VN. Der VN ist daher zur Geltendmachung der Ansprüche und zur Verfügung über die Ansprüche berechtigt. Als Verfügung ist jeglicher Rechtsakt anzusehen, der auf Bestand oder Ausgestaltung der Forderung einwirkt. Der VN hat allerdings bei seinen Verfügungen auf die Interessen des Versicherten Bedacht zu nehmen (Innenverhältnis).

Macht der formell berechtigte VN den Zahlungsanspruch im eigenen Namen geltend, zahlt der Versicherer schuldbefreiend an ihn, auch wenn der Versicherte minderjährig ist. Es bedarf dafür keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.

OGH 9.5.2012 7 Ob 67/12x

Thema: Versicherung für fremde Rechnung

VersVG §§ 74 ff: Eine von einer Wohnungseigentümergemeinschaft abgeschlossene Gebäudeversicherung ist (auch) Versicherung für Rechnung der einzelnen Wohnungseigentümer.

Versicherung für fremde Rechnung liegt vor, wenn der VN entsprechende Absichten hegt und der Versicherer diese Absicht aus den Umständen erkennen konnte, weil fremdes Interesse versichert ist. Die Vermutung des § 80 VersVG für eine Eigenversicherung ist widerlegbar, wer sie widerlegen will, ist dafür beweispflichtig.

VersVG §§ 74 ff; ABGB §§  1392 ff: Ein im Versicherungsvertrag vereinbartes Abtretungsverbot erfasst auch den Verzicht des VN auf die Geltendmachung seiner Rechte. Allerdings ist eine Berufung des Versicherers darauf rechtsmissbräuchlich, wenn der VN ohne sachlichen, billigenswerten Grund den Anspruch nicht geltend macht, oder der Versicherte im Besitz der Polizze ist.

OGH 9.5. 2012, 7 Ob 38/12g

Thema: Haushaltsversicherung; Außenversicherung; „ständig bewohntes Gebäude“

ABH 2006 Premium, Art 3, Art 6: Ein Bürogebäude mit angeschlossener Lagerhalle ist kein „ständig bewohntes Gebäude“. Der Ausdruck charakterisiert ein Gebäude, das der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen dient. Die Räume in einem reinen Bürogebäude erfüllen diese Anforderung nicht.

OGH 30.5.2012, 7 Ob 81/12f

Thema: Haftpflichtversicherung; paritätische Kündigung

VersVG §  158, §  158a Abs 2; ABGB §  879 Abs 3: „Gleichheit“ bei der paritätischen Schadensfallkündigung nach VersVG bedeutet „formale Gleichheit“. Auch bei formaler Gleichheit aber unterliegen Schadensfall-Kündigungsklauseln einer Prüfung auf gröbliche Benachteiligung des VN nach §  879 Abs 3 ABGB (Inhaltskontrolle).

Keine gröbliche Benachteiligung des VN durch eine Bagatellgrenzen-Klausel, die (1.) die Kündigung nach Anerkennung der Leistungspflicht für beide Seiten davon abhängig macht, dass die gesamten Schadenszahlungen seit Beginn des Haftpflichtversicherungsvertrags, längstens jedoch innerhalb des letzten Jahres, die für diesen Zeitraum verrechnete Prämie übersteigen und die (2.) einen Kündigungsverzicht für beide Seiten vorsieht, wenn sich eine diese Grenze übersteigende Schadensbelastung aus einem einzelnen Versicherungsfall ergibt.

OGH 4.7.2012, 7 Ob 146/11p

Thema: Rechtsschutzversicherung; Haftung für Fehlberatung durch Agenten im Vertrags-Rechtsschutz gedeckt; Präklusion gem §  12 Abs 3 VersVG auch für Schadenersatzanspruch gegen Versicherer

ABGB §§  1293 ff, § 1313a; ARB 2005 Art 23: Ansprüche eines VN gegen einen Versicherer aus culpa in contrahendo (lat. „vorvertragliche Haftung“) wegen verschuldeter Fehlberatung von dessen Agenten fällt unter den Vertrags-Rechtsschutz.

ABGB §§  1293 ff, § 1313a; VersVG §  12 Abs 3; ARB 2005 Art 23: Zweck von § 12 Abs 3 VersVG ist die schnelle Klärung der Leistungspflicht des Versicherers, weil jede Verzögerung die zuverlässige Wahrheitsfindung erschwert; zugleich würde durch Verzögerungen die Übersicht über den wahren Stand des Vermögens des Versicherers erschwert. §  12 Abs 3 ist eng auszulegen, er betrifft nur Ansprüche, die ihre rechtliche Grundlage im betreffenden Versicherungsvertrag haben. Ein Schadenersatzanspruch gegen den Versicherer wegen schuldhafter Fehlberatung durch den Agenten unterliegt ebenfalls § 12 Abs 3 VersVG, die einjährige präklusive Klagsfrist gilt auch hier.

OGH 30.5.2012, 7 Ob 24/12y

Thema: Rechtsschutzversicherung; Vertrags-Rechtsschutz; „Verstoß“

ARB 2003 Art 2: Verstoß als Versicherungsfall im Vertrags-Rechtsschutz ist ein Handeln gegen eine gesetzliche oder vertragliche Pflicht oder das Unterlassen eines rechtlich gebotenen Tuns.

Es handelt sich um einen tatsächlichen, objektiv feststellbaren, erkennbaren Vorgang, der den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt. Weder kommt es darauf an, ob sich der Handelnde des Verstoßes bewusst war oder bewusst sein musste, noch auf den Zeitpunkt, zu dem die Beteiligten Kenntnis vom Verstoß erlangten, noch darauf, wann die Ansprüche wegen des Verstoßes geltend gemacht oder abgewehrt werden.

Bei mehreren (gleichartigen) Verstößen ist auf den ersten abzustellen. Ist kein einheitliches Verstoßverhalten festzustellen, handelt es sich bei den einzelnen schädigenden Verhaltensweisen jeweils um einen neuen Verstoß. War schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegt in der Regel ein einheitlicher Verstoß vor.

OGH 19.4.2012, 7 Ob 242/11f

Thema: Rechtsschutzversicherung; „in Ausbildung befindliche Angehörige“

ARB 2003 Art 5: „In Ausbildung befindlich und nicht selbsterhaltungsfähig“ ist der mitversicherte Angehörige des VN, solange er seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen hat. Auszugehen ist vom Berufs- und Ausbildungsziel des Kindes. Die einzelnen Ausbildungsschritte müssen nicht unmittelbar zeitlich hintereinander folgen, aber doch in einem Konnex mit der Gesamtausbildung stehen. Unterbrechungen schaden grundsätzlich nicht. Ob ein Kind zwischen den einzelnen Ausbildungsmodulen beruflich tätig war oder hätte sein können, spielt keine Rolle. Der durchschnittliche VN darf sich unter „Selbsterhaltungsfähigkeit“ ähnliche Grundsätze wie im Unterhaltsrecht erwarten, keinesfalls aber strengere als dort (Kriterien: Kind kann selbständig aus eigener Kraft leben; keine Selbsterhaltungsfähigkeit, wenn Kind noch elterlicher Wohnung oder Betreuung bedarf).

OGH 19.4.2012, 7 Ob 17/12v

Thema: Unfallversicherung; Sachverständigenverfahren 

VersVG §  64: Das Sachverständigenverfahren in der Unfallversicherung ist ein Schiedsgutachterverfahren. Es  entfaltet keine prozesshindernde Wirkung, jedoch ist vor Durchführung des Verfahrens die Leistung nicht fällig.

OGH 19.4.2012, 7 Ob 35/12s

Thema: Unfallversicherung, Sachverständigenverfahren; schlüssiger Verzicht?

VersVG §  64; ABGB §  863: Kein schlüssiger Verzicht des Unfallversicherers auf das Sachverständigenverfahren, wenn ihm gar nicht bewusst sein könnte, dass die Befassung der Sachverständigen mit dem Versicherungsfall für den VN ein Thema ist.

OGH 28.3.2012, 7 Ob 19/12p

Thema: Unfallversicherung; vorvertragliche Anzeigeobliegenheiten; Leistungsfreiheit

VersVG §§ 16ff, §  21: Nur wenn zwischen dem vom VN nicht oder falsch angezeigten erheblichen Umstand und dem Schaden kein Kausalzusammenhang besteht, bleibt die Leistungspflicht des Versicherers aufrecht. Zu fragen ist nach dem Kausalzusammenhang zwischen dem Umstand und dem Eintritt des Versicherungsfalls, nicht nach dem Zusammenhang zwischen Falschanzeige und Vertragsabschluss.

Der Kausalitätsgegenbeweis ist streng zu führen, Zweifel gehen zu Lasten des VN.

OGH 30.5.2012, 7 Ob 46/12h

Thema: Lebensversicherung; prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge; Kündigungsverzicht

VersVG §  165: Eine zehn Jahr übersteigende Mindestvertragsdauer (hier: Kündigungsverzicht auf 15 Jahre) verstößt gegen §  165 VersVG und ist daher gesetzwidrig. Zwar kann der VN vor Ablauf der Zehnjahresfrist wegen der steuerlichen Begünstigung nicht kündigen, der Versicherer aber hat kein Recht, den VN über diese Frist hinaus an sich zu binden. Das jährliche ordentliche Kündigungsrecht des VN ist relativ zwingend.

OGH 9.5. 2012, 7 Ob 40/12a